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zustimmenden Votum, die Königlich württembergische Regierung erachte es aus
praktischen Gründen für wünschenswert, daß für die Regel an dem ursprüng-
lichen Repräsentationsverhältnis festgehalten werde.
In der Bundesratssitzung vom 20. Dezember 1880 wurde beschlossen, dem
Kaiser für die Besetzung der durch das Ausscheiden des Reichsgerichtsrats
Schüler zur Erledigung kommenden Stelle beim Reichsgericht den Königlich
sächsischen Landgerichtspräsidenten Freiesleben vorzuschlagen. Der braunschweigische
Bevollmächtigte knüpfte hieran den Wunsch, daß fortan die Vorschläge zur Be-
setzung der Ratsstellen bei dem Reichsgericht wieder, wie früher, dem Ausschusse
für Justizwesen zur Berichterstattung überwiesen werden möchten, und erklärte,
daß nach der Auffassung seiner Regierung ein Präsentationsrecht für vakant
werdende Stellen keinem Bundesstaate zustehe. 1)
Bestrafung der Trunkenheit. Die gegenwärtige strafrechtliche Praxis
gewährte der Gesellschaft gegen Betrunkene nicht in gleichem Umfange Rechts-
schutz wie gegen andere Personen; die Gesetze gestatteten ferner nicht, den
Menschen, welcher seine Neigung zum Alkohol und die Gefährlichkeit seines
Rausches thatsächlich bewiesen hat, einzusperren, ihn unter Aufsicht zu stellen
oder sonst gegen die von ihm der Rechtssicherheit drohende Gefahr irgend welche
Vorkehrungen zu treffen. Die Interessen der öffentlichen Moral wie der all-
gemeinen Rechtssicherheit erheischten gebieterisch die Beseitigung solchen Mißstandes.
Von diesem Gesichtspunkt geleitet, legte Bismarck im Januar 1881 im Auftrag
des Kaisers dem Bundesrat einen Gesetzentwurf über die Bestrafung der
Trunkenheit vor. 2)
Der Entwurf erfuhr in § 3 in Bezug auf die Kost auf Wasser und Brot
insofern eine Aenderung, als der Bundesratsausschuß für die Verfassung be-
antragte, daß diese Schärfung am 4., 8., 12. und demnächst an jedem dritten
Tage, nach sechs Wochen überhaupt in Wegfall komme, während die ursprüng-
liche Fassung lautete: für den 1., 7. und demnächst für jede weiteren sieben
Tage. Außerdem erhielt der Entwurf einen neuen Paragraphen 6: „Mit
Geldstrafe bis zu 100 Mark oder mit Haft bis zu zwei Jahren wird bestraft,
wer bei Verrichtungen, welche zur Verhütung von Gefahr für Leben und Ge-
sundheit anderer oder vor Feuersgefahr besondere Aufmerksamkeit erfordern, sich
betrinkt oder solche Verrichtungen betrunken vornimmt."
In der Bundesratssitzung vom 19. März 1881 gelangte der Gesetzentwurf
nach den Anträgen des Justizausschusses zur Annahme.
1) Besetzung von Ratsstellen beim Reichsgericht s. „Nordd. Allgem. Ztg.“ Nr. 547
v. 22. 11. 80, Bundesratsvorlage, betreffend eine Zusammenstellung über die Geschäfte
des Reichsgerichts im Jahre 1880, Nr. 144 v. 26. 3. 81.
2) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Wortlaut der Bundesratsvorlage s. „Nordd.
Allg. Ztg.“ Nr. 48 v. 24. 1. 81.