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Am 26. Februar 18811) legte Bismarck dem Bundesrat den Entwurf
einer Allerhöchsten Verordnung, betreffend die Errichtung eines deutschen Volks-
wirtschaftsrats, nebst Begründung vor. Der Entwurf entsprach im wesentlichen
den Bestimmungen der preußischen Verordnung über Errichtung eines Volks-
wirtschaftsrats. Diese stellte sich nach den Motiven des in Rede stehenden
Entwurfs als ein erster Schritt zur Befriedigung der kundgegebenen berechtigten
Wünsche dar; sie konnte aber auf die Dauer nicht genügen, da die wirtschaft-
liche Gesetzgebung der Hauptsache nach dem Reiche zusteht, und die Interessen
der übrigen Bundesstaaten nicht unvertreten bleiben können. Es mußte daher
die Institution eines Volkswirtschaftsrats als eine Reichseinrichtung ins Auge
gefaßt werden. Für die Einrichtung eines solchen, zunächst für Preußen, war
nur der Umstand maßgebend gewesen, daß sich auf diese Weise die vermißte
Einrichtung auf kürzerem Wege und daher schneller ins Leben rufen ließ, um
für eine Reihe wirtschaftlicher Vorlagen, welche sich in Vorberatung für den.
nächsten Reichstag befanden, einer Begutachtung durch die beteiligten Kreise,
wenn auch zunächst nur eines Bundesstaates, nicht zu entbehren.
Bezüglich der Zusammensetzung des Volkswirtschaftsrats sagten die Motive,
es würde schwer durchzuführen sein, die Wahlkörper für alle deutschen Staaten
in der Verordnung selbst zu bestimmen, da, abgesehen von der Organisation
des deutschen Landwirtschaftsrats, welche sich gleichmäßig über das ganze Reich
erstreckt, die Vertretungen der in Betracht kommenden wirtschaftlichen Interessen
ganz verschiedenartig gestaltet sind. Es werde sich daher empfehlen, den ein-
zelnen Regierungen die Bestimmung darüber zu überlassen, in welcher Weise
sie die Auswahl der dem Bundesrat zur Berufung in Vorschlag zu bringenden
Vertreter der fraglichen Berufszweige (Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, Hand-
werk und Handarbeit) bewirken wollen.
Im großen Durchschnitt würden auf jede Million der Einwohnerzahl drei
Vertreter fallen. Da, wo die Bevölkerung einzelner Staaten eine Drittel-
million nicht erreicht, würden mehrere Staaten von gleichartigen wirtschaftlichen
Zuständen zur Berufung von einem, zwei oder drei Delegirten zusammentreten
können. Nach dem Verhältnis der Mitgliederzahl des preußischen Volks-
wirtschaftsrats zur Ziffer der preußischen Bevölkerung im Jahre 1875 dürfte
die Mitgliederzahl des deutschen Volkswirtschaftsrats auf 125 zu bestimmen
sein, von denen auf Preußen 75, auf Bayern 15, Sachsen 8, Württemberg 6,
Baden 4, Hessen 3, Mecklenburg 2, Oldenburg 1, auf die thüringischen Staaten
zusammen 3, auf Anhalt, Braunschweig, Waldeck und die beiden Lippe zu-
sammen 2, auf die freien Städte zusammen 2 und auf Elsaß-Lothringen 4
entfallen.
1) In Kohls Bismarck-Regesten findet sich das falsche Datum 2. März 1881, ebenso
in Schultheß' Geschichtskalender S. 88.