Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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und für Rechnungswesen überwiesen. Die definitive Beschlußfassung über den— 
selben Antrag zog sich in die nächste Session des Bundesrats hinaus. 
5. Ostentative Zurückweisung einer Parallelaktion des 
Reichstags in der Hamburger Zollanschlußfrage. Sogleich nach 
dem Bekanntwerden von Bismarcks Anträgen unter Ziff. 2 und 4 beschäftigten 
sich die Fraktionen des Reichstags lebhaft mit Schritten gegen die neuesten 
Maßregeln des Reichskanzlers gegen Hamburg. 
Die Fortschrittspartei, Richter-Karsten, beantragte: „Der Reichstag wolle 
beschließen: in Betreff der im Bundesrat eingebrachten Anträge auf Einver- 
leibung der Unterelbe in den Zollverein und Aufhebung des Hauptzollamts 
in Hamburg zu erklären, daß es weder dem bundesstaatlichen Verhältnis noch 
der Achtung vor dem geltenden Verfassungsrecht entspricht, wenn der Bundesrat 
Aenderungen der Zolleinrichtungen vornehmen sollte lediglich zu dem Zwecke, 
um einzelne Bundesstaaten in dem freien Gebrauche ihres verfassungsmäßigen 
Rechts zu beschränken.“ Diesem Antrag der Fortschrittspartei traten indes 
nur die Sezessionisten bei; den Nationalliberalen und den Ultramontanen ging 
er zu weit, die Ultramontanen hatten sogar Bedenken gegen den Antrag 
Delbrück, den sie vorher gebilligt hatten. Der Antrag Delbrück ward daher 
vorerst noch nicht eingebracht, wohl aber der fortschrittliche Antrag Richter-Karsten. 
Vor Beratung dieses Antrags verlas der stellvertretende Vorsitzende des 
Bundesrats, Staatsminister v. Boetticher, 1) in der Sitzung des Reichstags vom 
25. Mai nachstehende Erklärung: 
„Der Antrag Richter-Karsten geht von der Unterstellung aus, daß der 
Bundesrat unter Hintansetzung des geltenden Verfassungsrechts Beschlüsse fassen 
könnte, welche den Zweck verfolgen, die Rechte einzelner Bundesstaaten zu verletzen. 
Im Auftrage der verbündeten Regierungen weise ich diese Unterstellung zurück und 
lege hiermit Verwahrung ein gegen den Versuch, die freie Entschließung des 
Bundesrats durch ein solches Vorgehen zu beeinflussen. Der Bundesrat ist sich 
seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeiten und seiner Pflicht voll bewußt und 
hält es mit der Würde der verbündeten Regierungen, welche er zu vertreten 
hat, nicht für vereinbar, sich an der Verhandlung eines Antrages, wie der 
Richter-Karstensche ist, zu beteiligen." 
Darauf verließ der Bundesrat in corpore demonstrativ den Sitzungssaal 
des Reichstags. 
1) Die „Tribüne“ hörte aus guter Quelle, daß Fürst Bismarck ursprünglich beab- 
sichtigt hatte, die durch Herrn v. Boetticher zur Kenntnis gebrachte Erklärung persönlich vor- 
zutragen. Infolge der langen Rede des Abgeordneten v. Varnbüler zum Unterstützungs- 
wohnsitzgesetz entspann sich jedoch ein telegraphischer Austausch zwischen dem Bundesrats- 
zimmer und dem Reichskanzlerhause, welcher damit endete, daß Herr v. Boetticher den 
Auftrag erhielt, die vorher schriftlich aufgesetzte Erklärung zu verlesen.
	        
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