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verhalten werde, konnte nach den von Bismarck beim Schlusse des Reichstags
gemachten programmartigen Bemerkungen nicht zweifelhaft sein. )
In der Sitzung des Bundesrats vom 21. Oktober 1878, in welcher
Fürst Bismarck den Vorsitz führte, wurde der Gesetzentwurf denn auch in der
vom Reichstag beschlossenen Fassung angenommen. Außerdem wurden die
Anträge des Ausschusses für Justizwesen, betreffend die Vereinbarung über-
einstimmender Grundsätze für die Ausführung des Gesetzes, genehmigt.
Bei der Abstimmung stimmte der Vertreter des Fürstentums Reuß älterer
Linie, Geheimer Regierungsrat v. Geldern-Crispendorf als der einzige im
Bundesrat mit „Nein“. Nach der „Weser-Zeitung“ motivirte die Fürstlich
reuß-plauische Regierung diese ihre Abstimmung damit, daß sie überzeugt
sei, dieses Gesetz werde sich als unwirksam erweisen; die Bekämpfung der
Sozialdemokratie werde nur möglich sein durch Beförderung einer wahren
Religiosität in allen Klassen.
Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom
21. Oktober 1878 (Reichs-Gesetzbl. S. 351).
Als Mitglieder der Kommission zur Entscheidung von Beschwerden auf Grund
des Gesetzes wurden in der Sitzung des Bundesrats vom 24. Oktober gewählt:
1. aus dem Bundesrat: der Unterstaatssekretär Bitter, der Königlich sächsische
außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Wirkliche Geheime Rat
v. Nostiz-Wallwitz, der Königlich württembergische außerordentliche Gesandte und
bevollmächtigte Minister, Staatsrat Freiherr v. Spitzemberg, der Großherzoglich
mecklenburgische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Geheimer
Legationsrat v. Prollius; 2. als richterliche Mitglieder: der Ober-Tribunalsrat
v. Holleben, der Ober-Tribunalsrat Hahn, der Ober-Tribunalsrat Delius,
der Rat des obersten Gerichts Dr. Schneider in München, der Ober-Appellations-
gerichtsrat Dr. Lehmann in Lübeck.
In der Bundesratssitzung vom 1. November 187 8 teilte der Vorsitzende mit,
daß der Staatsminister und Minister des Innern Graf zu Culenburg zum
Vorsitzenden der erwähnten Kommission und der Unterstaatssekretär Bitter zum
Stellvertreter des Vorsitzenden ernannt worden sei, sowie daß die Kommission
sich konstituirt und auf Grund des § 27 des Gesetzes den Entwurf eines Ge-
schäftsregulativs vorgelegt habe. Ueber die Bestätigung dieses Regulativs sollte
in der nächsten Sitzung Beschluß gefaßt werden. (Geschah am 4. November
1878.)2) Auf den Antrag Preußens wurde beschlossen, daß die Reichskommission
zum direkten Verkehr mit den Reichs= und Landesbehörden befugt sei, und daß
1) Bismarck verkündete, vermöge der vertraulichen Besprechungen, welche im Bundesrat
in den letzten Tagen stattgefsunden hätten, würden die vom Reichstag gefaßten Beschlüsse
daselbst einstimmige Annahme finden. Bereits am 1. Oktober 1878 hatte Bismarck über
das Gesetz mit den Ministern der Bundesstaaten vertraulich verhandelt.
2) Abgedruckt findet sich dasselbe in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 523 v. 6. 11. 78.