Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Bundesrat vorgelegt, von diesem am 1. April dem Reichstag zur Beratung 
und Beschlußfassung übergeben wurde. 
Bismarcks Vorlage mußte als ein weiteres klärendes Ereignis, und zwar 
von erstem Range, bezeichnet werden. Bismarck meinte nicht, daß der Entwurf 
im stande sei, die so lange verhetzten und mit phantastischen Vorstellungen er- 
füllten Massen des Arbeiterstandes mit einemmal in andere Bahnen zu lenken. 
Die reifsten Elemente des Arbeiterstandes konnten sich aber der Einsicht nicht 
verschließen, daß nach vierzig Jahren unfruchtbarer Agitationen und phantastischer 
Theoreme hier der erste ernste und durchdachte praktische Versuch vorlag, einen 
Teil der sozialen Frage zu lösen. 
Der Bundesrat folgte Bismarck auf seinem großen Pfade; der Reichstag 
wußte aber die Sache besser. Durch Verwerfung der Reichsanstalt und des Staats- 
zuschusses machte er die Vorlage Bismarck und dem Bundesrat unannehmbar. 
Eine andere große Aktion Bismarcks, welche der Bundesrat bereitwillig 
unterstützte, war auf den endlichen Zollanschluß von Hamburg gerichtet. Da man 
in Hamburg zu Anfang nicht das genügende Verständnis für das von Bismarck 
erstrebte nationale Ziel zeigte, so hielt Bismarck es für angezeigt, in der Zoll- 
anschlußfrage das geltend zu machen, was er mittelst der Majorität des Bundes- 
rats, also eventuell auch gegen den Willen Hamburgs, durchzusetzen vermochte. 
In diese Kategorie fallen Bismarcks Anträge, betreffend den Zollanschluß von 
Altona und der Unterelbe sowie Wandsbek und die Aufhebung der Zollvereins- 
niederlage in Hamburg. Während der Bundesrat den Anträgen Bismarcks 
willig folgte, glaubte sich die Fortschrittspartei im Reichstag zum Teil in diese 
Dinge einmischen zu sollen. Ein Versuch, der von dem Bundesrat dadurch 
zurückgewiesen wurde, daß er bei Beratung des bezüglichen Antrages demon- 
strativ den Saal verließ. 
Die Art und Weise, in welcher der Bundesrat den Antrag Richter-Karsten 
in der hamburgischen Angelegenheit zurückwies, war gewiß ungewöhnlich. Der 
Richtersche Antrag enthielt aber auch die denkbar stärkste Provokation des 
Bundesrats. Die darin ausgesprochene Verdächtigung, diese Körperschaft könne 
Beschlüsse fassen, welche lediglich darauf abzielten, einen Bundesstaat zu ver- 
gewaltigen, war in den Annalen des parlamentarischen Lebens neu. Dem 
einen gesetzgebenden Faktor des Deutschen Reichs #anzusinnen, eine solche Ver- 
dächtigung gegenüber dem anderen in Form eines Beschlusses auszusprechen, 
war geradezu unerhört. Ein solcher Beschluß wäre in Wirklichkeit nichts 
anderes als eine Kriegserklärung des Reichstags an die verbündeten Re- 
gierungen in der beleidigendsten Form gewesen. 
Treffend schrieb die „Schlesische Zeitung“ in einem Artikel mit der Ueber- 
schrift „Bundesrat und Reichstag in Sachen Hamburgs"“: 
„Durch den Verlauf der Dinge haben die Oppositionsparteien eine Nieder- 
lage erfahren, wie sie demütigender nicht gedacht werden kann. Daß der
	        
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