— 407 —
Während der Drucklegung dieses Bandes ist eine Unterredung bekannt
geworden, welche Fürst Bismarck am 24. November 1880 in Friedrichsruh
mit zwei Besuchern über den Zollanschluß Hamburgs hatte. Darnach sagte der
Kanzler über die Absperrung der Zollgrenze bei Cuxhaven: „Nun, was in
England geht, muß doch auch bei uns gehen. Kommt man vor der Themse
an, so klettern bei Gravesend die Zollbeamten, lauter junge frische Kerle, wie
die Gemsen an Bord, besichtigen auf der Fahrt nach London das Gepäck (die
Waren gehen in die Docks), und kommt man in die Stadt, so ist alles besorgt,
man kann unbelästigt seines Weges ziehen, und niemand hat hiergegen etwas
einzuwenden. Man glaubt in Hamburg immer, wir wollten Hamburg durch
den Zollanschluß ein Leids anthun. Das fällt uns aber gar nicht ein. Wir
haben gar kein Interesse daran, die erste Handelsstadt Deutschlands zu schädigen.
Passen unsere Zollgesetze für den hanseatischen Handel nicht mehr, so müssen sie
eben geändert werden. Das ist doch nicht so schwer. Gesetze werden doch nicht
für die Ewigkeit gemacht. Dann aber haben wir auch den Verhältnissen Altonas
Rechnung getragen; dort gehen die Geschäfte immer mehr zurück seit 1867, das
beweist ein einziger Blick in die Statistik, das dürfen wir ferner nicht mehr ruhig
mit ansehen; Deutschland muß ein Zoll- und Handelsgebiet werden, wie es
schon der alte Bremer Duckwitz 1848 im Frankfurter Parlament wollte.“
Auch in anderen Fragen ließ die Harmonie zwischen Bundesrat und
Reichstag bedenklich zu wünschen übrig. So lehnte er die Vorschläge, be—
treffend die Errichtung eines deutschen Volkswirtschaftsrates, die Verlängerung
der Etats- und Legislaturperioden, ab; andere Vorlagen ließ der Reichstag
einfach unerledigt, so zum Beispiel das Trunkenheits-, das Brausteuergesetz,
die Wehrsteuer, den Gesetzentwurf wegen Abänderung der Gewerbeordnung,
oder er amendirte dieselben so, daß sie für den Bundesrat unannehmbar
wurden. (Unfallgesetz, Gesetz über die Naturalleistungen für die bewaffnete
Macht.)
hat sich der Reichskanzler wieder auf der Höhe seiner diplomatischen Kunst gezeigt. Die
systematische Beeinflussung der öffentlichen Meinung von bekannter Seite hätte es bald
dahin gebracht, auch bei Unbefangenen die Ueberzeugung zu erwecken, daß der Kanzler
wirklich im Begriff stehe, einer guten deutschen Stadt, die doch auch ihre berechtigten be-
sonderen Interessen habe, brutale Gewalt anzuthun. Da wird der Irrtum aufs glänzendste
widerlegt durch das Bekanntwerden der wahrhaft freigebigen Bedingungen, unter welchen
Hamburg der Eintritt ins Zollgebiet offen steht. Die Fortschrittspartei hatte den Zeitpunkt
für günstig gehalten, im Reichstag einmal als Macht gegen Macht aufzutreten; die Sezession
hatte eine unhaltbare Rechtsanschauung ausgeklügelt und sich mit der Hoffnung geschmeichelt,
dieselbe zum Siege zu bringen; die Nationalliberalen waren vorsichtig genug gewesen, der
Rechtsentscheidung auszuweichen, aber nicht klug genug, dafür eine korrekte Form zu finden.
Da fährt der Abschluß des Vertrags mit Hamburg zwischen die Konzepte, und die Oppositions-
parteien stehen mit ihren Anträgen da wie die trauernden Lohgerber, denen die Felle
den Bach hinabschwimmen.“