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Aus dem äußeren Umstande, daß der Entwurf im „Auftrag des Kaisers“
vom Reichskanzler im Bundesrat eingebracht worden war, 1) wurde hüben und
drüben Kapital geschlagen. Mit Bezug hierauf brachte die „Norddeutsche
Allgemeine Zeitung“ zwei staatsrechtliche Ausführungen, die wir wegen ihrer
allgemeinen Bedeutung hier ungekürzt wiedergeben wollen.
In Nr. 17 vom 17. Januar 1879 schrieb das Kanzlerblatt: „Wir haben
kürzlich darauf hingewiesen, daß die Behauptung fortschrittlicher Blätter irrig
ist, die Einbringung des Gesetzentwurfs über die Strafgewalt des Reichstags
sei in einer früher nicht vorgekommenen Form erfolgt, indem der Entwurf vom
Reichskanzler im Auftrag des Kaisers vorgelegt worden. Diese rein formelle
Berichtigung wird nun von denselben Blättern dahin verdreht, wir hätten auf
die Einbringung im Auftrag des Kaisers einen besonderen Ton gelegt, um den
Reichskanzler von der Verantwortlichkeit zu entlasten. Es ist dies ein perfides
Spiel. Wir benutzen die Gelegenheit, nochmals darauf hinzuweisen, wie es sich
mit der geschäftlichen Form bei der Einbringung von Vorlagen im Bundesrat
verhält. Alle Vorlagen können an das Plenum des Bundesrats nur durch
den Reichskanzler gelangen. Es kommt hierfür die Vorschrift des Artikel 7 der
Reichsverfassung in Betracht: „Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu
machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben
der Beratung zu übergeben.“ Es können aber auch Vorschläge an den
Bundesrat gelangen, die nicht von einem Bundesglied, auch nicht von dem
König von Preußen als Reichsfürsten, sondern vom Kaiser als solchem aus-
gehen. Dieselben werden durch den Reichskanzler im Auftrag des Kaisers
eingebracht. Diese Form, welche sich auf Artikel 15 der Verfassung stützt, ist
schon wiederholt zur Anwendung gekommen, namentlich bei solchen Vorlagen,
welche sich auf die Organisation der Reichsregierung beziehen. Auch die jetzige
Vorlage wird man als eine die Organisation der Reichsgewalt betreffende
anerkennen und demnach gerechtfertigt finden, daß sie vom Kaiser und nicht von
einer einzelnen Regierung ausgeht.“2)
Bismarck nicht leicht sich entschließe, einen einmal von ihm entwickelten Plan aufzugeben.
Auf den Satz, daß es seinem Rechtsgefühle widerspreche, die vollständige Indemnität der
Abgeordneten wegen ihrer in der Volksvertretung gethanen Aeußerungen zuzugestehen, war
er wiederholt und mit Vorliebe zurückgekommen. Aus seiner Initiative gingen die während
der Konfliktszeit gemachten Versuche hervor, die Frage auf dem Wege der Rechtsprechung
zum Austrage zu bringen, und als er nach hergestellter Versöhnung mit der liberalen
Partei nachgab, machte er kein Hehl daraus, daß dies nur um des lieben Friedens willen
geschehe, seine Rechtsauffassung aber eine unerschütterte sei.
1) Es handelte sich also nicht, wie Kohl in seinen Bismarck-Regesten irrtümlich
angibt, um einen Antrag Preußens.
2) In der Nr. 12 v. 15. 1. 79 schrieb die „Nordd. Allg. Ztg.“: Gegenüber einem
Wiener Telegramm eines hiesigen Blattes sind wir nach eingezogener Erkundigung in der
Lage, zu erklären, daß die Sprache Wiener Blätter über den Gesetzentwurf, betreffend die