Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

— 36 — 
Aus dem äußeren Umstande, daß der Entwurf im „Auftrag des Kaisers“ 
vom Reichskanzler im Bundesrat eingebracht worden war, 1) wurde hüben und 
drüben Kapital geschlagen. Mit Bezug hierauf brachte die „Norddeutsche 
Allgemeine Zeitung“ zwei staatsrechtliche Ausführungen, die wir wegen ihrer 
allgemeinen Bedeutung hier ungekürzt wiedergeben wollen. 
In Nr. 17 vom 17. Januar 1879 schrieb das Kanzlerblatt: „Wir haben 
kürzlich darauf hingewiesen, daß die Behauptung fortschrittlicher Blätter irrig 
ist, die Einbringung des Gesetzentwurfs über die Strafgewalt des Reichstags 
sei in einer früher nicht vorgekommenen Form erfolgt, indem der Entwurf vom 
Reichskanzler im Auftrag des Kaisers vorgelegt worden. Diese rein formelle 
Berichtigung wird nun von denselben Blättern dahin verdreht, wir hätten auf 
die Einbringung im Auftrag des Kaisers einen besonderen Ton gelegt, um den 
Reichskanzler von der Verantwortlichkeit zu entlasten. Es ist dies ein perfides 
Spiel. Wir benutzen die Gelegenheit, nochmals darauf hinzuweisen, wie es sich 
mit der geschäftlichen Form bei der Einbringung von Vorlagen im Bundesrat 
verhält. Alle Vorlagen können an das Plenum des Bundesrats nur durch 
den Reichskanzler gelangen. Es kommt hierfür die Vorschrift des Artikel 7 der 
Reichsverfassung in Betracht: „Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu 
machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben 
der Beratung zu übergeben.“ Es können aber auch Vorschläge an den 
Bundesrat gelangen, die nicht von einem Bundesglied, auch nicht von dem 
König von Preußen als Reichsfürsten, sondern vom Kaiser als solchem aus- 
gehen. Dieselben werden durch den Reichskanzler im Auftrag des Kaisers 
eingebracht. Diese Form, welche sich auf Artikel 15 der Verfassung stützt, ist 
schon wiederholt zur Anwendung gekommen, namentlich bei solchen Vorlagen, 
welche sich auf die Organisation der Reichsregierung beziehen. Auch die jetzige 
Vorlage wird man als eine die Organisation der Reichsgewalt betreffende 
anerkennen und demnach gerechtfertigt finden, daß sie vom Kaiser und nicht von 
einer einzelnen Regierung ausgeht.“2) 
Bismarck nicht leicht sich entschließe, einen einmal von ihm entwickelten Plan aufzugeben. 
Auf den Satz, daß es seinem Rechtsgefühle widerspreche, die vollständige Indemnität der 
Abgeordneten wegen ihrer in der Volksvertretung gethanen Aeußerungen zuzugestehen, war 
er wiederholt und mit Vorliebe zurückgekommen. Aus seiner Initiative gingen die während 
der Konfliktszeit gemachten Versuche hervor, die Frage auf dem Wege der Rechtsprechung 
zum Austrage zu bringen, und als er nach hergestellter Versöhnung mit der liberalen 
Partei nachgab, machte er kein Hehl daraus, daß dies nur um des lieben Friedens willen 
geschehe, seine Rechtsauffassung aber eine unerschütterte sei. 
1) Es handelte sich also nicht, wie Kohl in seinen Bismarck-Regesten irrtümlich 
angibt, um einen Antrag Preußens. 
2) In der Nr. 12 v. 15. 1. 79 schrieb die „Nordd. Allg. Ztg.“: Gegenüber einem 
Wiener Telegramm eines hiesigen Blattes sind wir nach eingezogener Erkundigung in der 
Lage, zu erklären, daß die Sprache Wiener Blätter über den Gesetzentwurf, betreffend die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.