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Es beruht nicht auf Zufall, daß andere Großstaaten, zumal solche mit
weit vorgeschrittener politischer und wirtschaftlicher Entwicklung, die Deckung
ihrer Ausgaben vorzugsweise in dem Ertrag der Zölle und indirekten Steuern
suchen.
Die direkte Steuer, welche in einem für jeden einzelnen Steuerpflichtigen
im voraus festgestellten Betrage dem einzelnen Besteuerten abgefordert und
nötigenfalls durch Zwang von ihm beigetrieben wird, wirkt ihrer Natur nach
drückender als jede indirekte Abgabe, die in ihrem Betrage sowohl der Gesamt—
heit als dem einzelnen gegenüber an den Umfang des Verbrauchs besteuerter
Gegenftände sich anschließt und, soweit sie den einzelnen Konsumenten trifft,
von diesem in der Regel nicht besonders, sondern in und mit dem Preise der
Waren entrichtet wird. In dem größten Teile Deutschlands haben die direkten
Steuern einschließlich der Kommunalabgaben eine Höhe erreicht, welche drückend
ist und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt erscheint. Am meisten leiden unter
derselben gegenwärtig diejenigen Mittelklassen, deren Einkommen sich etwa in
der Grenze bis zu 6000 Mark bewegt und welche durch exekutorisch beigetriebene
oder über ihre Kräfte gezahlte direkte Steuern noch häufiger als die Angehörigen
der untersten Steuerklassen in ihrem wirtschaftlichen Bestande untergraben werden.
Soll die Steuerreform, wie ich es für erforderlich halte, in ihren Erleichterungen
bis zu diesen Grenzen reichen, so muß sie bei der Revision des Zolltarifs auf
einer möglichst breiten Grundlage beginnen. Je ergiebiger man das Zollsystem
in finanzieller Hinsicht gestaltet, um so größer werden die Erleichterungen auf
dem Gebiete der direkten Steuern sein können und sein müssen.
Denn es versteht sich von selbst, daß mit der Vermehrung der indirekten
Einnahmen des Reiches nicht eine Erhöhung der Gesamtsteuerlast bezweckt werden
kann. Das Maß der Gesamtsteuerlast ist nicht durch die Höhe der Einnahmen,
sondern durch die Höhe des Bedarfs bedingt, durch die Höhe der Ausgaben,
welche im Einverständnis zwischen Regierung und Volksvertretung als dem
Bedürfnis des Reiches oder Staates entsprechend festgestellt wird. Höhere Ein-
nahmen zu erzielen, als zur Bestreitung dieses Bedürfnisses unbedingt erforderlich
sind, kann niemals in der Absicht der Regierungen liegen. Dieselben haben nur
dahin zu streben, daß das Erforderliche auf die relativ leichteste und erfahrungs-
mäßig minder drückende Weise aufgebracht werde. Jede Steigerung der in-
direkten Einnahmen des Reiches muß deshalb die notwendige Folge haben, daß
von den direkten Steuern oder von solchen indirekten Steuern, deren Erhebung
von Staats wegen etwa aus besonderen Gründen nicht mehr wünschenswert
erscheint, so viel erlassen oder an Kommunalverbände überwiesen wird, als für
die Deckung der im Einverständnisse mit der Volksvertretung festgesetzten Staats-
ausgaben entbehrlich wird.
Nicht in Vermehrung der für die Zwecke des Reiches und der Staaten
notwendigen Lasten, sondern in der Uebertragung eines größeren Teiles der
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 4