Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Es beruht nicht auf Zufall, daß andere Großstaaten, zumal solche mit 
weit vorgeschrittener politischer und wirtschaftlicher Entwicklung, die Deckung 
ihrer Ausgaben vorzugsweise in dem Ertrag der Zölle und indirekten Steuern 
suchen. 
Die direkte Steuer, welche in einem für jeden einzelnen Steuerpflichtigen 
im voraus festgestellten Betrage dem einzelnen Besteuerten abgefordert und 
nötigenfalls durch Zwang von ihm beigetrieben wird, wirkt ihrer Natur nach 
drückender als jede indirekte Abgabe, die in ihrem Betrage sowohl der Gesamt— 
heit als dem einzelnen gegenüber an den Umfang des Verbrauchs besteuerter 
Gegenftände sich anschließt und, soweit sie den einzelnen Konsumenten trifft, 
von diesem in der Regel nicht besonders, sondern in und mit dem Preise der 
Waren entrichtet wird. In dem größten Teile Deutschlands haben die direkten 
Steuern einschließlich der Kommunalabgaben eine Höhe erreicht, welche drückend 
ist und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt erscheint. Am meisten leiden unter 
derselben gegenwärtig diejenigen Mittelklassen, deren Einkommen sich etwa in 
der Grenze bis zu 6000 Mark bewegt und welche durch exekutorisch beigetriebene 
oder über ihre Kräfte gezahlte direkte Steuern noch häufiger als die Angehörigen 
der untersten Steuerklassen in ihrem wirtschaftlichen Bestande untergraben werden. 
Soll die Steuerreform, wie ich es für erforderlich halte, in ihren Erleichterungen 
bis zu diesen Grenzen reichen, so muß sie bei der Revision des Zolltarifs auf 
einer möglichst breiten Grundlage beginnen. Je ergiebiger man das Zollsystem 
in finanzieller Hinsicht gestaltet, um so größer werden die Erleichterungen auf 
dem Gebiete der direkten Steuern sein können und sein müssen. 
Denn es versteht sich von selbst, daß mit der Vermehrung der indirekten 
Einnahmen des Reiches nicht eine Erhöhung der Gesamtsteuerlast bezweckt werden 
kann. Das Maß der Gesamtsteuerlast ist nicht durch die Höhe der Einnahmen, 
sondern durch die Höhe des Bedarfs bedingt, durch die Höhe der Ausgaben, 
welche im Einverständnis zwischen Regierung und Volksvertretung als dem 
Bedürfnis des Reiches oder Staates entsprechend festgestellt wird. Höhere Ein- 
nahmen zu erzielen, als zur Bestreitung dieses Bedürfnisses unbedingt erforderlich 
sind, kann niemals in der Absicht der Regierungen liegen. Dieselben haben nur 
dahin zu streben, daß das Erforderliche auf die relativ leichteste und erfahrungs- 
mäßig minder drückende Weise aufgebracht werde. Jede Steigerung der in- 
direkten Einnahmen des Reiches muß deshalb die notwendige Folge haben, daß 
von den direkten Steuern oder von solchen indirekten Steuern, deren Erhebung 
von Staats wegen etwa aus besonderen Gründen nicht mehr wünschenswert 
erscheint, so viel erlassen oder an Kommunalverbände überwiesen wird, als für 
die Deckung der im Einverständnisse mit der Volksvertretung festgesetzten Staats- 
ausgaben entbehrlich wird. 
Nicht in Vermehrung der für die Zwecke des Reiches und der Staaten 
notwendigen Lasten, sondern in der Uebertragung eines größeren Teiles der 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 4
	        
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