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dies läßt sich mit irgend welcher Zuverlässigkeit nicht berechnen. Wollte man
indessen auch annehmen, daß selbst die Hälfte der obengenannten Summe —
was ohne Zweifel zu hoch gegriffen ist — als Wert auch künftig zollfreier
Ein- und Durchfuhr in Abzug kommen müßte, so bliebe immerhin noch eine,
jetzt zollfreie, künftig auch nach den ursprünglichen bis 1865 giltigen Grund-
sätzen Preußens und des Zollvereins zollpflichtige Einfuhr im Werte von etwa
1400 Millionen Mark. Wird ferner angenommen, daß die hiervon künftig
zu erhebenden Eingangsabgaben auch nur durchschnittlich 5 Prozent des Werts
betrügen, so würde sich die Vermehrung der jährlichen Zolleinnahmen auf
80 Millionen Mark belaufen.!)
Dieser Vermehrung der Zolleinnahme würde eine wesentliche Erhöhung
der Zollerhebungs= und Verwaltungskosten nicht gegenüberstehen, da eine, wenn
auch nur summarische Revision der die Zollgrenze passirenden zollfreien Güter
jetzt ebenfalls stattfindet. Die bestehenden Einrichtungen an der Zollgrenze und
im Innern würden voraussichtlich auch zur Verzollung aller jetzt zollfreien,
künftig zollpflichtigen Gegenstände ausreichen oder doch nicht in sehr erheblichem
Maße zu erweitern sein; sie würden durch Vermehrung der zollpflichtigen Artikel
vielfach nur noch besser ausgenutzt und einträglicher gemacht werden, als es
jetzt der Fall ist.
Wenn hiernach vom finanziellen Gesichtspunkte aus, auf welchen ich das
Hauptgewicht lege, die von mir befürwortete Wiederherstellung der Regel
allgemeiner Zollpflicht sich empfiehlt, so läßt ein solches System sich meines
Erachtens auch in volkswirtschaftlicher Beziehung nicht anfechten.
Ich lasse dahingestellt, ob ein Zustand vollkommener, gegenseitiger Freiheit
des internationalen Verkehrs, wie ihn die Theorie des Freihandels als Ziel
vor Augen hat, dem Interesse Deutschlands entsprechen würde. Solange
aber die meisten der Länder, auf welche wir mit unserem Verkehr angewiesen
sind, sich mit Zollschranken umgeben und die Tendenz zur Erhöhung derselben
noch im Steigen begriffen ist, erscheint es mir gerechtfertigt und im wirtschaft-
lichen Interesse der Nation geboten, uns in der Befriedigung unserer finanziellen
Bedürfnisse nicht durch die Besorgnis einschränken zu lassen, daß durch dieselben
deutsche Produkte eine geringe Bevorzugung vor ausländischen erfahren.
Der jetzt bestehende Vereinszolltarif enthält neben den reinen Finanzzöllen
eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen für bestimmte Industriezweige. Eine
Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen
Lage der Industrie, nicht ratsam erscheinen; vielleicht wird sogar bei manchen
Artikeln im Interesse einzelner besonders leidender Zweige der heimischen In-
1) Der Zollsatz in dem bis vor 13 Jahren giltigen Tarif Preußens und des Zoll-
vereins war für alle im Tarif nicht als zollfrei benannte Einfuhrgegenstände 15 Sgr.
für den Zentner.