Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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dies läßt sich mit irgend welcher Zuverlässigkeit nicht berechnen. Wollte man 
indessen auch annehmen, daß selbst die Hälfte der obengenannten Summe — 
was ohne Zweifel zu hoch gegriffen ist — als Wert auch künftig zollfreier 
Ein- und Durchfuhr in Abzug kommen müßte, so bliebe immerhin noch eine, 
jetzt zollfreie, künftig auch nach den ursprünglichen bis 1865 giltigen Grund- 
sätzen Preußens und des Zollvereins zollpflichtige Einfuhr im Werte von etwa 
1400 Millionen Mark. Wird ferner angenommen, daß die hiervon künftig 
zu erhebenden Eingangsabgaben auch nur durchschnittlich 5 Prozent des Werts 
betrügen, so würde sich die Vermehrung der jährlichen Zolleinnahmen auf 
80 Millionen Mark belaufen.!) 
Dieser Vermehrung der Zolleinnahme würde eine wesentliche Erhöhung 
der Zollerhebungs= und Verwaltungskosten nicht gegenüberstehen, da eine, wenn 
auch nur summarische Revision der die Zollgrenze passirenden zollfreien Güter 
jetzt ebenfalls stattfindet. Die bestehenden Einrichtungen an der Zollgrenze und 
im Innern würden voraussichtlich auch zur Verzollung aller jetzt zollfreien, 
künftig zollpflichtigen Gegenstände ausreichen oder doch nicht in sehr erheblichem 
Maße zu erweitern sein; sie würden durch Vermehrung der zollpflichtigen Artikel 
vielfach nur noch besser ausgenutzt und einträglicher gemacht werden, als es 
jetzt der Fall ist. 
Wenn hiernach vom finanziellen Gesichtspunkte aus, auf welchen ich das 
Hauptgewicht lege, die von mir befürwortete Wiederherstellung der Regel 
allgemeiner Zollpflicht sich empfiehlt, so läßt ein solches System sich meines 
Erachtens auch in volkswirtschaftlicher Beziehung nicht anfechten. 
Ich lasse dahingestellt, ob ein Zustand vollkommener, gegenseitiger Freiheit 
des internationalen Verkehrs, wie ihn die Theorie des Freihandels als Ziel 
vor Augen hat, dem Interesse Deutschlands entsprechen würde. Solange 
aber die meisten der Länder, auf welche wir mit unserem Verkehr angewiesen 
sind, sich mit Zollschranken umgeben und die Tendenz zur Erhöhung derselben 
noch im Steigen begriffen ist, erscheint es mir gerechtfertigt und im wirtschaft- 
lichen Interesse der Nation geboten, uns in der Befriedigung unserer finanziellen 
Bedürfnisse nicht durch die Besorgnis einschränken zu lassen, daß durch dieselben 
deutsche Produkte eine geringe Bevorzugung vor ausländischen erfahren. 
Der jetzt bestehende Vereinszolltarif enthält neben den reinen Finanzzöllen 
eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen für bestimmte Industriezweige. Eine 
Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen 
Lage der Industrie, nicht ratsam erscheinen; vielleicht wird sogar bei manchen 
Artikeln im Interesse einzelner besonders leidender Zweige der heimischen In- 
1) Der Zollsatz in dem bis vor 13 Jahren giltigen Tarif Preußens und des Zoll- 
vereins war für alle im Tarif nicht als zollfrei benannte Einfuhrgegenstände 15 Sgr. 
für den Zentner.
	        
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