Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Darf es als rechtlich zweifellos bezeichnet werden, daß bestehende Eisen— 
bahnkonzessionen durch Gesetz aufgehoben werden können, so bleibt noch zu 
erörtern, ob diese Aufhebung gegen Entschädigung oder unentgeltlich zu bewirken 
sein wird. 
Für beides fehlt es nicht an Vorgängen. Unentgeltlich ist, um von ferner 
liegenden Beispielen abzusehen, die Aufhebung der lauenburgischen Elbzölle, des 
Jagdrechts und eines großen Teils der Grund- und Gewerbegerechtigkeiten 
erfolgt. Dagegen ist bei Aufhebung der Binnenzölle, bei Revision der Kom— 
munikationsabgaben und bei Abschaffung der Flößereiabgaben insoweit Ent- 
schädigung geleistet worden, als die aufgehobenen Rechte auf lästigen Privat- 
rechtstiteln beruhten. 
Die Notwendigkeit der baldigen Herstellung eines geordneten Zustandes im 
deutschen Eisenbahntarifwesen tritt in so dringender Weise hervor, daß zur 
Ausführung der gesetzlichen Regelung der Erlaß eines allgemeinen Reichs-Eisen- 
bahngesetzes, welcher mit anderen noch nicht spruchreifen Fragen zusammen- 
hängt, nicht abgewartet werden kann. Die gesonderte Ordnung des Tarif- 
wesens unterliegt keinem Bedenken, da dasselbe ohnehin eine getrennte Materie 
auf dem Gebiete der Eisenbahngesetzgebung bildet und einer unabhängigen Be- 
handlung fähig ist. 
Der Frage, welche Rücksichten der Billigkeit bei der Regelung des Ent- 
schädigungspunktes zu beachten sein werden, soll durch die Vorlage nicht präjudizirt, 
vielmehr soll dieselbe dem Ermessen der gesetzgebenden Gewalten unter Benutzung 
der finanziellen Erfahrungen überlassen werden, welche die künftige Verkehrs- 
gestaltung darbieten wird." 
Folgt der Schlußantrag: „Die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Regelung 
des Gütertarifwesens auf den deutschen Eisenbahnen beschließen, und zu diesem 
Behufe zunächst einen Ausschuß berufen zu wollen, welcher aus einem Vertreter 
des Präsidiums und aus einer vom Bundesrat näher zu bestimmenden Zahl 
von Vertretern derjenigen Bundesstaaten, welche eine eigene Staatsbahnverwaltung 
besitzen, zu bestehen hätte.“ 1) 
Es verlautete, der Reichskanzler habe den Generalpostmeister Dr. Stephan 
mit der Abfassung des bezüglichen Entwurfes betraut, und dieser hinwiederum 
einen seiner Räte. Angeblich war der Entwurf bereits fertig und bestand 
charakteristischer Weise nur aus 10 Paragraphen. Eingeweihte wußten zu 
rühmen, es sei in 14 Tagen geschaffen worden, wozu andere Jahre gebraucht 
hätten, und überdies weise der Entwurf auf eine große Vereinfachung des 
Transport= und Tarifwesens hin. Thatsache ist, daß der Minister Maybach, 
1) Vgl. über den vorstehenden Antrag die „Zeitung des Vereins der Deutschen 
Eisenbahn-Verwaltungen“ Nr. 13 S. 168, Nr. 15 S. 189, Nr. 17 S. 214, Nr. 18 S. 239, 
Nr. 22 S. 301.
	        
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