— 89 —
Darf es als rechtlich zweifellos bezeichnet werden, daß bestehende Eisen—
bahnkonzessionen durch Gesetz aufgehoben werden können, so bleibt noch zu
erörtern, ob diese Aufhebung gegen Entschädigung oder unentgeltlich zu bewirken
sein wird.
Für beides fehlt es nicht an Vorgängen. Unentgeltlich ist, um von ferner
liegenden Beispielen abzusehen, die Aufhebung der lauenburgischen Elbzölle, des
Jagdrechts und eines großen Teils der Grund- und Gewerbegerechtigkeiten
erfolgt. Dagegen ist bei Aufhebung der Binnenzölle, bei Revision der Kom—
munikationsabgaben und bei Abschaffung der Flößereiabgaben insoweit Ent-
schädigung geleistet worden, als die aufgehobenen Rechte auf lästigen Privat-
rechtstiteln beruhten.
Die Notwendigkeit der baldigen Herstellung eines geordneten Zustandes im
deutschen Eisenbahntarifwesen tritt in so dringender Weise hervor, daß zur
Ausführung der gesetzlichen Regelung der Erlaß eines allgemeinen Reichs-Eisen-
bahngesetzes, welcher mit anderen noch nicht spruchreifen Fragen zusammen-
hängt, nicht abgewartet werden kann. Die gesonderte Ordnung des Tarif-
wesens unterliegt keinem Bedenken, da dasselbe ohnehin eine getrennte Materie
auf dem Gebiete der Eisenbahngesetzgebung bildet und einer unabhängigen Be-
handlung fähig ist.
Der Frage, welche Rücksichten der Billigkeit bei der Regelung des Ent-
schädigungspunktes zu beachten sein werden, soll durch die Vorlage nicht präjudizirt,
vielmehr soll dieselbe dem Ermessen der gesetzgebenden Gewalten unter Benutzung
der finanziellen Erfahrungen überlassen werden, welche die künftige Verkehrs-
gestaltung darbieten wird."
Folgt der Schlußantrag: „Die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Regelung
des Gütertarifwesens auf den deutschen Eisenbahnen beschließen, und zu diesem
Behufe zunächst einen Ausschuß berufen zu wollen, welcher aus einem Vertreter
des Präsidiums und aus einer vom Bundesrat näher zu bestimmenden Zahl
von Vertretern derjenigen Bundesstaaten, welche eine eigene Staatsbahnverwaltung
besitzen, zu bestehen hätte.“ 1)
Es verlautete, der Reichskanzler habe den Generalpostmeister Dr. Stephan
mit der Abfassung des bezüglichen Entwurfes betraut, und dieser hinwiederum
einen seiner Räte. Angeblich war der Entwurf bereits fertig und bestand
charakteristischer Weise nur aus 10 Paragraphen. Eingeweihte wußten zu
rühmen, es sei in 14 Tagen geschaffen worden, wozu andere Jahre gebraucht
hätten, und überdies weise der Entwurf auf eine große Vereinfachung des
Transport= und Tarifwesens hin. Thatsache ist, daß der Minister Maybach,
1) Vgl. über den vorstehenden Antrag die „Zeitung des Vereins der Deutschen
Eisenbahn-Verwaltungen“ Nr. 13 S. 168, Nr. 15 S. 189, Nr. 17 S. 214, Nr. 18 S. 239,
Nr. 22 S. 301.