Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Berlin, den 26. März 1872. 
An Frau Wanda v. Koethe. 
„Ich fürchte, daß sich mein Aufenthalt hier ziemlich lange hinausziehen 
wird, da ich jedenfalls so lange bleiben muß, bis das unglückliche Brausteuer- 
gesetz,!) bei dem wir so wesentlich interessirt sind, und mit dem jetzt noch der 
Ausschuß beschäftigt ist, im Plenum des Bundesrats und in dem Reichstag 
durchberaten worden ist. Zwar werde ich versuchen, bei Herrn Delbrück einen 
Aufschub bis zur Woche nach den Feiertagen auszuwirken, habe aber wenig 
Hoffnung, daß mir der Versuch gelingen wird, da die Hetzerei diesmal fast noch 
ärger ist als gewöhnlich. Bis jetzt habe ich, mit Ausnahme des Keiserlichen 
Geburstages, jeden Tag, selbst am lieben Sonntag, langatmige Sitzungen gehabt, 
gestern zum Beispiel von 10 bis 12 im Biersteuerausschuß, von 12 bis 3 im 
Militärausschuß, und von 3 bis nach 5 im Plenum. Zu Besuchen bin ich 
deshalb noch nicht gekommen.“ 
Berlin, den 8. April 1872. 
An Frau Wanda v. Koethe. 
„Anbei die Thronrede des Reichstags, der heute eröffnet werden wird. 
Fürst Bismarck wird sie verlesen, denn der Kaiser eröffnet nicht in Person, 
leider, wie ich glaube, weil seine körperlichen Kräfte der Zeremonie kaum ge- 
wachsen sein dürften. Von der in der Thronrede angekündigten Vorlage wegen 
Verteilung der Kriegsentschädigungsgelder wissen wir noch nichts; ich bin daher 
über diesen Passus doppelt erfreut und will nur wünschen, daß mir die Art 
und Weise, wie man verteilen will, keine Enttäuschung bringt. 2) 
Mit meinem Antrage zum Brausteuergesetz 3) bin ich im Bundesrat glücklich 
durchgedrungen; nun wird es darauf ankommen, was der Reichstag dazu sagt. 
Bis dahin, wo derselbe darüber Beschluß gefaßt haben wird, muß ich nun 
natürlich hier aushalten." 
* 
1) Dasselbe bezweckte für die norddeutsche Biersteuergemeinschaft die Herstellung eines 
allgemein giltigen Gesetzes über die Besteuerung des Bieres, und außerdem die Besteuerung 
der Malzsurrogate. Es entwickelte sich aus dieser Vorlage das Gesetz vom 31. Mai 1872. 
2) Angespielt ist auf den dem Reichstag mit Schreiben vom 16. Mai 1872 mitgeteilten 
Gesetzentwurf, betreffend die französische Kriegsentschädigung, Sten. Ber., Anl. Nr. 92. 
3) Der Antrag Seebachs findet sich im § 40 des dem Reichstag vorgelegten Gesetz- 
entwurfs wegen Erhebung der Brausteuer. (Drucksache Nr. 11, IJ. Legislaturperiode, III. 
Session 1872.) Er bezweckte, den Betrag, um welchen in Sachsen-Coburg-Gotha, Meiningen, 
Reuß älterer Linie die daselbst bestehende Malzschrotsteuer den Satz von 20 Silbergroschen 
pro Zentner überstieg, den gedachten Bundesstaaten auch fernerhin zu bewilligen. Es war 
also eine Konzession im Sinn der Erhaltung einer bestehenden Landeseinnahme (zu ver 
gleichen auch die Motive zu § 40).
	        
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