Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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5. Zoll- und Handelswesen. 
Abänderung des Zolltarifs. In der Bundesratssitzung vom 
31. Mai 1873 wurde ein von Bismarck am 27. Mai 1873 (Nr. 100 der 
Drucksachen) eingebrachter Gesetzentwurf 1) vorgelegt, nach welchem die Eisenzölle 
teils ermäßigt, teils aufgehoben, der Sodazoll ermäßigt und der Zoll auf 
Lumpenausfuhr aufgehoben werden sollte. Der ultra-freihändlerische Vorschlag 
Delbrück-Camphausens, den Bismarck, der sich bis dahin in der Zollfrage noch keine 
definitive Meinung gebildet hatte, acceptirt hatte,:) erregte in Bundesratskreisen 
Bedenken. Gleichwohl beantragten die Bundesratsausschüsse die Zustimmung 
des Bundesrats unter unwesentlicher Abänderung der Vorlage. Bei der ent- 
scheidenden Abstimmung im Plenum des Bundesrats stellte der bayerische Bevoll- 
mächtigte den Antrag: „daß von einer Reform des Tarifs, namentlich in der 
Richtung der Aufhebung beziehentlich Reduzirung der Zollsätze auf Eisen und 
Eisenfabrikate, dann auf Maschinen und Eisenbahnfahrzeuge für jetzt abgesehen 
werden möge.“ Er bemerkte, die bezügliche Regierung könne ein dringendes 
wirtschaftliches Bedürfnis zur sofortigen Aenderung der erst vor drei Jahren 
reformirten Eisenzölle um so weniger anerkennen, als es zurzeit noch an der 
in Fragen der vorliegenden Art nötigen Evidenz dafür gebreche, daß die deutsche 
Industrie in den gedachten Richtungen sich bereits eines solchen Aufschwunges 
erfreue und schon so gekräftigt sei, daß sie in allen Fällen und dauernd befähigt 
erscheine, die Konkurrenz mit dem in vielen Beziehungen der Eisenindustrie 
besser situirten Auslande bestehen zu können. Jedenfalls vermöchte einer solchen 
Vorlage nur dann zugestimmt zu werden, wenn für den Einnahmeausfall zur 
Abwendung einer künftigen Erhöhung der Matrikularbeiträge eine Kompensation 
gewährt würde, wofür zunächst die in den Bundesratsausschüssen schon in 
Beratung gezogene sogenannte Börsensteuer ins Auge zu fassen wäre. Endlich 
biete sich die Frage an, ob es in der That opportun sei, den Reichstag noch 
in letzter Stunde mit solch weittragenden Steuerprojekten zu befassen, ob es 
nicht zweckmäßiger erscheine, den Gegenstand für die nächste Session zu ver- 
tagen, wo dann auch die Vertreter des hier sehr beteiligten Elsaß-Lothringens 
zugegen sein werden. Dieser Wunsch sei um so berechtigter, als wenigstens die 
bayerische Regierung nicht in der Lage gewesen sei, über die am 27. Mai 1873 
an den Bundesrat gebrachte Vorlage die zur Vertretung der Industrie berufenen 
Organe und die am meisten beteiligten Interessenten zu vernehmen. Auch von 
anderer Seite wurde der Standpunkt vertreten, daß eine Aufhebung oder Er- 
1) Abgedruckt in der oben S. 304 erwähnten Quelle. Kohl übersieht in den Bismarck- 
Regesten das obenstehende Datum. Der Wortlaut des Entwurfs findet sich in der „National- 
Zeitung“ Nr. 255 vom 5. Juni 1873. Analyse desselben Nr. 257 vom 6. Juni 1873 und 
„Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 130 vom 7. Juni 1873. 
2) Vgl. mein Werk „Fürst Bismarck als Volkswirt“ Bd. I. S. 33 und 39 Notle.
	        
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