Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

90 XI. Die Erwerbung von Schleswig-Holstein. 
Neigung zu einer solchen Lösung, als er ihn in einem Conseil!:) 
bald nach dem Tode des Königs Friedrich VII. daran er- 
innerte, daß jeder seiner Vorfahren bis zum Großen Kurfürsten 
hinauf für den Staat einen Zuwachs gewonnen habe, und ihn 
ermunterte, ein Gleiches zu thun. Der König trug Sorge, 
daß die, wie er meinte, unter den Nachwirkungen eines allzu 
reichlichen Frühstückes gethane Aeußerung seines auswärtigen 
Ministers aus dem Protokolle weggelassen wurde, doch bestand 
Bismarck auf der nachträglichen Einschaltung. Selbst die 
seinem Ressort unterstellten preußischen Gesandten hatten für 
die Auffassung ihres Chefs kein Verständniß, ja, einzelne, 
wie Graf Goltz, durchbrachen die Schranken der dienstlichen 
Disciplin so weit, daß sie in Immediateingaben dem Könige 
Ansichten vortrugen, die denen des leitenden Ministers diametral 
entgegenstanden. In dieser Lage mußte Bismarck auch die 
andern Möglichkeiten erwägen; er that es, ohne das höchste 
Ziel — die Annexion — aus den Augen zu lassen. Die 
eine war die Einsetzung des Augustenburgers, dem die Zu- 
neigung der deutschen Bevölkerung der Herzogthümer und der 
Souveraine der deutschen Mittel= und Kleinstaaten gehörte, 
die andere die Herstellung einer Personalunion, die den 
Herzogthümern, unter Aufrechterhaltung des politischen Ver- 
bandes mit Dänemark, die dem „up ewig ungedeelt“ ent- 
sprechende Sonderstellung gewährleistete. In die Bildung 
eines neuen Mittelstaates konnte Preußen nur einwilligen, 
wenn die preußischen und deutsch-nationalen Interessen sicher- 
gestellt wurden in dem Umfange, wie sie in den sogenannten 
  
  
) Wahrscheinlich geschah es in dem Conseil vom 2. und 3. Januar 
1864, von dem Jansen, Schleswig-Holsteins Befreiung S. 193 f. erzählt, 
wie er anmerkungsweise bemerkt: nach den Aufzeichnungen eines preu- 
sischen Staatsmannes. Nach der Vermuthung von E. Marcks dürfte der 
Berichterstatter der Kronprinz gewesen sein. — Bismarck verlegt das 
Conseil Bd. II 11 in den Dezember 1863, doch dürfte ihn hier das Ge- 
dächtniß getäuscht haben. Die Angaben bei Jansen-Samwer über den 
Verlauf des Conseils stimmen so genau mit Bismarcks Aufzeichnungen 
überein, daß man kaum zweifeln kann, daß an beiden Stellen von dem- 
selben Conseil die Rede ist. Das Ministerconseil vom 2. und 3. Januar 
1864 ist auch durch die amtlichen Mittheilungen in den Zeitungen von 
1864 gesichert (vgl. Kohl, Bismarckregesten 1 216).
	        
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