Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Die Wünsche des Königs. Bedenken Bismarcks. 101 
Tags zuvor war Nikolsburg der Schauplatz eines Ring- 
kampfes zwischen König und Minister gewesen, in dem es sich 
thatsächlich um die höchsten Fragen der deutschen Zukunft 
handelte. Der „Questenberg im Lager“ war den Militairs, 
die das Ohr des Königs mehr besaßen als der Diplomat, ein 
unbequemer Verderber ihrer militairischen Erfolge. Im Kriegs- 
rath (oder Generalsvortrag) vom 23. Juli platzten die Mei- 
nungen hart aufeinander. Bismarck blieb mit seiner Ueber- 
zeugung, daß auf die von Oesterreich angebotenen Bedingungen 
(des Austrittes aus dem Bunde, der Anerkennung aller durch 
Preußen in Norddeutschland zu treffenden Einrichtungen, vor- 
behaltlich der Integrität Sachsens) der Friede geschlossen werden. 
müsse, allein; der König trat der militairischen Mehrheit bei. 
Da vermochten Bismarcks Nerven dem Drange der auf sie 
einstürmenden Gefühle nicht mehr zu widerstehen: er ging 
schweigend in's anstoßende Schlafzimmer, warf sich auf sein 
Bett und schluchzte im Weinkrampf wie ein Kind. Unterdeß 
entfernte sich der Kriegsrath. Bismarck brachte alle Er- 
wägungen, die für den Friedensschluß sprachen, zu Papier und 
bat den König, bei Weiterführung des Krieges ihn seiner 
Aemter zu entheben. Mit diesem Schriftstücke begab er sich 
am 24. Juli zu dem Könige und entwickelte ihm noch einmal 
alle politischen und militairischen Gründe, die gegen die Fort- 
setzung des Krieges und für eine schonende Behandlung Oester- 
reichs sprachen. Der König gab das Gewicht seiner Bedenken 
zu, erklärte aber die vorliegenden Bedingungen für ungenügend, 
da Oesterreich und seine deutschen Verbündeten wegen ihrer 
Feindschaft gegen Preußen streng bestraft werden muüßten. 
Bismarcks Einspruch, daß Preußen eine deutsch-nationale Ein- 
heit unter Leitung des Königs von Preußen herzustellen oder 
anzubahnen, nicht aber des Richteramtes zu walten habe, blieb 
ohne Eindruck, ja der Widerstand des Ministers gegen die 
Wiederaufnahme des Krieges reizte den König so, daß Bis- 
marck die Erörterung abbrach und in dem Gefühle, daß seine 
Auffassung abgelehnt sei, das Zimmer verließ. Heimgekehrt 
in seine Wohnung, war ihm zu Muthe, als ob er durch Sturz 
aus dem Fenster sein Leben enden sollte; er kehrte sich nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.