106 XII. Nikolsburg und der Norddeutsche Bund.
unentbehrliche Controle der Regierung hindern, ein Zuwenig
könnte sie zur Herrschaft werden lassen. Fürst Bismarck hebt
rühmend hervor, daß Wilhelm l. das rechte Augenmaß dafür
in einem nach menschlicher Unvollkommenheit überhaupt er-
reichbaren Grade besessen habe, indem er Minister, die die ent-
sprechenden Eigenschaften (Tact und Augenmaß) besaßen, „so-
wohl gegen gelegentliche Majoritäts-Abstimmungen als auch
gegen Hof= und Camarilla-Einflüsse zu halten“ wußte.
Anknüpfend an die aus revolutionairem Kreise an den
König gebrachten Anträge, den Sieg über Oesterreich, der,
wie die Neuwahlen vom 3. Juli 1866 lehrten, auch den Sieg
über die Fortschrittspartei bedeutete, zur Revision der preußi-
schen Verfassung im Sinne des Absolutismus zu benutzen,
erörtert Bismarck einen Vorschlag des Zaren Alexander II. aus
dem Jahre 1863, durch einen gemeinschaftlichen Krieg gegen
die Westmächte und Oesterreich den innern Conflict zugleich
mit der deutschen Frage zu erledigen. Das Anerbieten erschien
auf den ersten Blick verlockend genug. Zwei so starke Militair-
mächte wie Preußen und Rußland im Bunde hätten ein Ueber-
gewicht gebildet, gegen das die übrigen Mächte nicht hätten
aufkommen können. Aber der größere Nutzen des Bundes
wäre Rußland zugefallen. Bismarck, dem der König den
Brief des Zaren zum Entwurf der Antwort überwies, hat in
einer ausführlichen Denkschrift den russischen Antrag beleuchtet
und diejenigen Momente hervorgehoben, die vom preußischen
Standpunkte aus dagegen sprachen: „daß ein gemeinsamer
Krieg gegen die Westmächte in seiner schließlichen Entwickelung
sich wegen der geographischen Verhältnisse und wegen der
französischen Begehrlichkeit nach den Rheinlanden nothwendig
zu einem preußisch-französischen condensiren müsse, daß die
preußisch-russische Initiative zu dem Kriege unsere Stellung in
Deutschland verschlechtern werde, daß Rußland, entfernt von
dem Kriegsschauplatze, von den Leiden des Krieges weniger
betroffen sein, Preußen dagegen nicht nur die eigenen, sondern
auch die russischen Heere materiell zu erhalten habe, und daß
die russische Politik dann an dem längeren Arme des Hebels
sitzen würde und uns, auch wenn wir siegreich wären, ähnlich