Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

120 XII. Emser Depesche. Begründung des Deutschen Reichs. 
Kriegsherrn gefunden hatte, und konnten es ihm nicht ver- 
gessen, daß er den Siegeslauf des preußischen Heeres hemmte, 
als die französische Einmischung die Beendigung des öster- 
reichischen Krieges ihm räthlich erscheinen ließ. Den höchsten 
Spitzen, Roon und Moltke, lag solche Ressortfeindschaft und 
Ressortbeschränktheit selbstverständlich fern, aber sie wurde 
förmlich gepflegt im Kreise der „Halbgötter", wie man 
die höheren Generalstabsoffiziere damals nannte. Sie setzten 
es beim Könige durch, daß Bismarck nicht nur zu den mili- 
tairischen Berathungen nicht zugezogen, sondern ihm gegen- 
über auch strenge Geheimhaltung aller militairischen Maßregeln 
und Absichten als Regel aufgestellt wurde. Das hatte seinen 
großen Nachtheil für die Führung der politischen Geschäfte, 
die vom Kriege unzertrennlich waren, und Bismarck nimmt in 
den „Gedanken und Erinnerungen“ Gelegenheit, seine damaligen 
Erfahrungen zum Besten der Zukunft mitzutheilen und in 
einigen lapidar gehaltenen Sätzen das Verhältniß von Heer- 
führung und politischer Leitung zu einander zu charakterisiren. 
Nur zu leicht lassen die leitenden Militairs aus dem Auge, 
daß der Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter 
Bedingungen ist, die der von dem Staate verfolgten Politik 
entsprechen, daß die Feststellung und Begrenzung der Ziele, 
die durch den Krieg erreicht werden sollen, die Berathung des 
Monarchen in Betreff derselben während des Krieges wie vor 
demselben eine politische Aufgabe ist, deren Lösung dem verant- 
wortlichen auswärtigen Minister zufällt, daß die Art ihrer 
Lösung aber auch nicht ohne Einfluß auf die Art der Krieg- 
führung sein kann. 
Eine der Fragen, in welcher nach Bismarcks Ansicht von 
den Militairs zu wenig das politische Moment erwogen wurde, 
betraf die Beschießung von Paris. Bismarck wünschte dringend 
die Eröffnung des Bombardements, um den Parisern die 
Nothwendigkeit des Friedensschlusses nahezulegen, die ihnen 
erst greifbar wurde, wenn sie die ganze Furchtbarkeit des 
Krieges am eigenen Leibe verspürten. Er lebte in beständiger 
Sorge vor der Einmischung der neutralen Mächte, die aus der 
keineswegs rosigen Lage der Deutschen vor Paris und aus der
	        
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