Der Bund der drei Kaiser. Anfragen des Zaren. 165
Bunde der drei Ostmächte die Aufgabe zu, zwischen Oesterreich
und Rußland in ihren mancherlei zusammenstoßenden Interessen
zu vermitteln, und Bismarck widmete sich ihr mit dem Eifer
des „ehrlichen Maklers“. Allein er konnte nicht verhüten, daß
sich im Laufe des Jahres 1876 doch wieder die Dinge zwischen
Oesterreich und Rußland zuspitzten bis zur Drohung mit offenem
Kriege. In diesem Jahre erwies sich die Macht des Deutschen
Reiches zum ersten Male als ein Hemmniß für die russischen
Eroberungspläne. Wollte Rußland Oesterreich angreifen, so
mußte es der deutschen Neutralität sicher sein; fiel Deutschlands
Gewicht zu Gunsten Oesterreichs in die Wagschale, so schnellte
Rußlands Schale leicht empor. Um Klarheit zu erhalten,
wendete sich der Zar auf Antrieb Gortschakows durch den
deutschen Militairbevollmächtigten, General v. Werder, im
Herbste 1876 telegraphisch an Bismarck mit der Frage,
ob Deutschland bei einem russisch-österreichischen Kriege neutral
bleiben würde. Die gewählte Form war durchaus ungewöhn-
lich. Der deutsche Militairbevollmächtigte war nicht dazu da,
diplomatische Anfragen der russischen Regierung, deren Organ
er nicht war, nach Berlin weiterzugeben, noch dazu in An-
gelegenheiten von solcher Bedeutung. Fürst Bismarck, der in
Varzin weilte, lehnte zunächst ab, sich ohne höhere Ermäch-
tigung zu äußern, und empfahl auf wiederholtes Drängen,
die Frage auf amtlichem Wege durch den russischen Botschafter
in Berlin im Auswärtigen Amte zu stellen. Neue Inter-
pellationen durch Werdersche Telegramme schnitten indeß diesen
ausweichenden Weg ab, und da die Frage schließlich auch noch
direct durch den Zaren selbst unter Betheiligung der russischen
Botschaft in Berlin wiederholt und ihre vertrauliche Beant-
wortung auf Grund der bestehenden persönlichen Beziehungen
erbeten wurde, so blieb Bismarck keine weitere Ausflucht. Er
beschied den deutschen Botschafter, General v. Schweinitz, zu
sich und hieß ihn die Antwort persönlich nach Livadia bringen.
Sie war ein Meisterstück diplomatischer Feinheit und entsprach
ganz der vermittelnden Haltung, die sich Deutschland zur Richt-
linie seiner Politik genommen hatte. Bismarck betonte, daß
Deutschlands erstes Bedürfniß sei, die Freundschaft zwischen