Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Le cauchemar des coalitions. Das deutsch-österreichische Bündniß. 177 
Reichskanzlers — sich zur Fahrt nach Alexandrowo rüstete, 
um seinen kaiserlichen Neffen von Rußland zu begütigen. Er 
entwickelte ihm die politische Lage, die bedrohliche An- 
näherung Rußlands an Frankreich, und ließ ihn die Folgerung 
selbst ziehen: gegen ein russisch-französisches Bündniß war der 
natürliche Gegenzug ein österreichisch-deutsches. Beide Staats- 
männer einigten sich leicht über ein rein defensives Bündniß 
gegen einen russischen Angriff auf einen von beiden Theilen, 
dagegen lehnte Andrassy die von Bismarck vorgeschlagene Aus- 
dehnung des Bundes auch auf andere als russische Angriffe ab. 
In Oesterreich wie in Deutschland wurde das Bündniß, 
das sich den Augen des Volkes als die Wiederherstellung einer 
alten völkerrechtlichen Verbindung darstellte und das Siebzig- 
millionenreich der großdeutschen Schwärmer von 1848 in einer 
andern Form zu schaffen schien, mit lautem Jubel begrüßt: 
auf allen Stationen, die Bismarck auf der langen Fahrt von 
Gastein nach Wien berührte, äußerte sich die Freude über die 
Herstellung engerer Beziehungen zum Deutschen Reiche in Kund- 
gebungen von elementarer Kraft. 
Beim Kaiser Franz Joseph fand Bismarck huldvolle Auf- 
nahme und die Bereitwilligkeit zum Abschluß eines Bünd- 
nisses mit dem Deutschen Reiche; schwieriger war es, die Zu- 
stimmung Wilhelms I. zu gewinnen. „Der Abschluß eines 
Vertrages, dessen, wenn auch defensives, doch kriegerisches Ziel 
ein Ausdruck des Mißtrauens gegen den Freund und Neffen 
war, mit dem er eben in Alexandrowo (3. September) von 
Neuem unter Thränen und in der vollsten Aufrichtigkeit des 
Herzens die Versicherungen der althergebrachten Freundschaft 
ausgetauscht hatte, lief zu sehr gegen die ritterlichen Gefühle, 
mit denen der Kaiser sein Verhältniß zu einem ebenbürtigen 
Freunde auffaßte.“ Daher waren auch alle Erwägungen und 
Argumente, die Bismarck schriftlich aus Gastein, Wien und 
demnächst aus Berlin zu Gunsten der neuen Combination 
unterbreitete, ohne die gewünschte Wirkung. Bismarck mußte 
schließlich zu dem für ihn peinlichen Mittel eines eventuellen 
Abschiedsgesuches greifen, um die Zustimmung des Kaisers zu 
dem Vertragsentwurf zu gewinnen: Graf Stolberg führte per- 
Kohl, Wegweiser. 12
	        
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