Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Konstantinopel in russischen Händen. 189 
confessionellen Strömungen abhängen, die dann in Oesterreich 
leitend sein werden“. 
Den deutschen Staatsmännern der Zukunft darf der 
richtige politische Blick nicht fehlen, um das Schiff des 
Deutschen Reiches durch die mancherlei Fährlichkeiten hindurch- 
zusteuern, die als Klippen und Untiefen das Meer der Welt- 
politik unsicher machen. Die Politik der „Liebenswürdigkeiten 
und wirthschaftlichen Trinkgelder“, die Graf Craprivi mit dem 
österreichischen Handelsvertrag eröffnete, wird bei dieser 
Gelegenheit von Bismarck scharf verurtheilt, weil sie den Ge- 
fahren der Zukunft nicht vorbeugt, sondern nur die Begehr- 
lichkeit unserer einstweiligen Freunde und ihre Rechnung auf 
unser Gefühl sorgenvoller Bedürftigkeit steigert. „Meine Be- 
fürchtung ist", sagt der weise Mahner, „daß auf dem einge- 
schlagenen Wege unsere Zukunft kleinen und vorübergehenden 
Stimmungen der Gegenwart geopfert wird“, und im Hinblick 
auf Graf Caprivi, der auch als allein verantwortlicher Reichs- 
kanzler sich in Fragen der Reichspolitik auf die Pflicht des 
militairischen Gehorsams gegenüber dem obersten Kriegsherrn 
berief, heißt es bei Bismarck als eine Mahnung an die 
höchste Stelle: „Frühere Herrscher sahen mehr auf Befähigung 
als auf Gehorsam ihrer Rathgeber; wenn der Gehorsam allein 
das Kriterium ist, so wird ein Anspruch an die universelle 
Begabung des Monarchen gestellt, dem selbst Friedrich der 
Große nicht genügen würde, obschon die Politik in Krieg und 
Frieden zu seiner Zeit weniger schwierig war wie heute."“ 
In allen Fragen der orientalischen Politik hat Deutsch- 
land den Vortheil, durch kein unmittelbares Interesse an der 
Lösung des Besitzstreites über die Balkanhalbinsel betheiligt 
zu sein, es kann in der Hinterhand bleiben und darf sich 
durch „keine Ungeduld, keine Gefälligkeit auf Kosten des 
Landes, keine Eitelkeit oder befreundete Provocation vor der 
Zeit aus dem abwartenden Stadium in das handelnde drängen 
lassen". Gleiche Enthaltsamkeit muß die deutsche Politik aber 
auch in allen andern Fragen der europäischen Politik beobachten, 
eingedenk der centralen und ausgesetzten Lage Deutschlands, 
der Ausdehnung seiner Vertheidigungsfronten und der Leichtig-
	        
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