Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Das Ende Wilhelms I. 195 
des Monarchen beauftragt wurde in den Fällen, wo Se. Majestät 
einer solchen zu bedürfen glaubte, und versprach dem Kaiser 
auf seine Bitte, daß er seinen Nachfolgern, Sohn und Enkel, 
mit seinem Rathe treu zur Seite stehen wolle. Ein fühlbarer 
Druck der Hand dankte ihm. In den folgenden Fieberphantasien 
beschäftigte den Kaiser das Verhältniß zu Rußland, und indem 
er seinen Enkel anzureden glaubte, sagte er plötzlich zu Bis- 
marck: „Mit dem russischen Kaiser mußt Du immer Fühlung 
behalten, da ist kein Streit nothwendig.“ Nachdem die Sinnes- 
täuschung vorüber war, nahm er mit den Worten: „Ich sehe 
Sie noch“ Abschied von Bismarck. Dieser war zwar noch 
am Nachmittag und in der Nacht zum 9. März am Sterbebette 
seines Herrn, glaubt aber nicht, daß der Sterbende ihn unter 
den Umstehenden erkannt habe. Die letzte Wiederkehr des 
Bewußtseins war am Abend des 8. März erfolgt; da hatte 
der Kaiser noch klar und zusammenhängend mit den sein 
Bett Umstehenden sprechen können: „es war das letzte Auf- 
leuchten dieses starken und tapferen Geistes. Um 8 Uhr 
30 Minuten that er den letzten Athemzug“.) 
In meisterhafter Weise läßt Bismarck darauf von diesem 
edlen Fürsten ein Bild vor uns erstehen, in dem Ehrfurcht 
und Liebe in Verbindung mit dem Sinne für geschichtliche 
Wahrhaftigkeit den Stift geführt haben. Ich vermag hier nur 
die Umrisse zu geben und verweise meine Leser auf das 
Buch selbst, wo sie das fein durchgearbeitete Gemälde bewundern 
können. « 
Von den Söhnen Friedrich Wilhelms III. war nur der 
älteste für die Staatsgeschäfte vorgebildet, der zweite wurde 
1) Daß Kaiser Wilhelm auf seinem letzten Krankenlager den Aus- 
spruch gethan habe, „er habe keine Zeit, müde zu sein“, dürfte in das 
Gebiet der Legende gehören. Ich berichte, was ich aus Bismarcks Munde 
darüber gehört habe. Als Bismarck dem Kaiser die Ordre zur Unterschrift 
vorlegte, durch welche der Reichstag geschlossen werden sollte, äußerte der 
Kranke: „Ach, lassen Sie mich, ich bin so müde“. Auf die Bitte des 
Kanzlers, die Ordre nur mit einem W. zu unterzeichnen, überwand er 
durch die ihm eigene Pflichttreue die Schwäche so weit, daß er den vollen 
Namen unter das Schriftstück setzte. Aus den Worten an den Kanzler in 
Verbindung mit der That entstand dann das Wort der Legende. 
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