Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

18 IV. Bis zum Ersten Vereinigten Landtage. 
Gefühl so lebendig, daß er auf der Universität zunächst zur 
Burschenschaft in Beziehung trat, die die Pflege des nationalen 
Gedankens als ihren Zweck bezeichnete. Was ihn der Burschen- 
schaft entfremdete, lag mehr im Bereich der Aeupßerlichkeiten: 
die Weigerung, Satisfaction zu geben, erschien ihm als Mangel 
an männlichem Muthe, die Gleichgültigkeit gegen die aus guter 
Erziehung hervorgehenden gesellschaftlichen Formen beleidigte 
den feinfühligen Aristokraten. Wenn auch der Glaube, daß 
die Entwickelung der nächsten Zukunft uns zur deutschen Ein- 
heit führen werde, in ihm soweit mächtig blieb, daß er mit 
seinem amerikanischen Freunde Coffin wettete, daß sie in 
20 Jahren erreicht werden würde, so fühlte er sich doch durch 
tumultuarische Aeußerungen des nationalen Gefühls nach Art 
der Hambacher Feier (27. Mai 1832)1) und des Frankfurter 
Putsches (3. April 1833)2) derart abgestoßen, daß er mit 
weniger liberaler Gesinnung nach Berlin zurückkehrte. Lebendig 
aber blieb in ihm der Haß gegen die Franzosen. Beim Blicke 
auf die Landkarte ärgerte ihn der französische Besitz von Straß- 
burg, und der Besuch von Heidelberg, Speier und der Pfalz 
stimmte ihn rachsüchtig und kriegslustig. 
Sein Wunsch, in die diplomatische Laufbahn einzutreten, 
fand von Seiten des Ministers Ancillon wenig Ermuthigung. 
Ancillon war der Meinung — und Bismarck hat sie durch 
spätere Erfahrungen bestätigt gefunden —, daß der preußische 
Landadel in seiner hausbackenen Gediegenheit nicht die für 
1) Auf den Ruf deutscher Republikaner versammelten sich zu 
Pfingsten 1832 an 20 000 Menschen, darunter auch polnische und französische 
Zugvögel der Revolution, auf dem Hambacher Schlosse, um für die Wieder- 
geburt Deutschlands in der Form einer Republik Propaganda zu machen. 
Die thörichte Demonstration hatte die unwillkommene Folge, daß der 
Bundestag auf den Antrag Oesterreichs und Preußens am 28. Juni 1832 
strenge Beschlüsse gegen die Preß- und Versammlungsfreiheit faßte. 
2) Am 3. April 1833 machten unter dem Commando des hannöverschen 
Flüchtlings Rauschenplat die Frankfurter Republikaner den Versuch, den 
Bundestag aufzuheben, um dadurch das Zeichen zu einer über ganz Deutsch- 
land sich erstreckenden revolutionairen Schilderhebung zu geben. Das 
Unternehmen, unzulänglich vorbereitet und ohne Halt in der Stimmung 
des Volkes, mißlang kläglich, schien aber den Bundestag zu weiteren 
reactionairen Beschlüssen zu berechtigen.
	        
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