Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Jugendanschauungen. Preußischer Adel. Auscultator. 19 
die preußische Diplomatie erwünschten Kräfte hervorbrächte, 
und daß die dieser Classe entnommenen Bewerber sich aus 
dem engeren Gesichtskreise ihrer mehr provinziellen An- 
schauungen schwer loslösen ließen. Diese Leute waren allen- 
falls als preußische Bureaukraten innerhalb der deutschen 
Diplomatie Preußens zu verwenden, nicht aber als Vertreter 
Preußens an den europäischen Höfen; zu solchen wählte man 
damals lieber Männer ausländischer Herkunft oder Diplomaten, 
die vor ihrem Uebertritt in preußischen Dienst an kleinen Höfen 
sich die erwünschte „assurance“ im höfischen Verkehr erworben 
hatten und die für die interne wie externe diplomatische Ver- 
wendung damals unbedingt nöthige Sicherheit im Gebrauch 
der französischen Sprache besaßen. Unter diesem an sich nicht 
unberechtigten Vorurtheil mußte auch Bismarck leiden: Ancillon 
rieth ihm, zunächst das Examen als Regierungsassessor zu 
machen und dann auf dem Umwege durch die Zollvereins- 
geschäfte Eintritt in die deutsche Diplomatie Preußens zu suchen. 
Diesem Rathe folgend bestand Bismarck am 20. Mai 1835 
bei dem Kammergericht zu Berlin das erste juristische Examen 
und trat am 4. Juni als Auscultator beim Criminalgerichte 
ein. Nachdem er dort vier Monate lang das Protokoll geführt 
hatte, wurde er an das Stadtgericht zu selbständiger Thätig- 
keit versetzt. Aus einer unglaublichen Gedankenlosigkeit allein 
läßt sich's erklären, daß gerade die Ehescheidungs-Angelegen- 
heiten den jüngsten Auscultatoren überwiesen wurden. Der 
dirigirende Rath der Abtheilung Prätorius war ein bequemer 
Herr, der am liebsten ungefragt blieb und jede Bitte um Rath, 
den die jungen Leute in diesen ihrem Gesichtskreise so fern 
liegenden Dingen an ihn richteten, als lästige Störung seiner 
Ruhe empfand. Köstlich liest sich die Schilderung eines Sühne- 
versuchs, für den sich der rathlose Auscultator Bismarck die 
Unterstützung seines Vorgesetzten erbat; aber man wird auch 
der Bemerkung Bismarcks beipflichten, daß für die Verordnung 
Friedrich Wilhelms IV. über das Verfahren in Ehescheidungen, 
durch welche in den Provinzen des Allgemeinen Landrechts 
der Staatsanwalt als desensor matrimonü eingeführt wurde, 
eine unbestreitbare Nothwendigkeit vorhanden war. Nach Ab- 
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