In Sanssouci. Ministerium Brandenburg. Ursachen des Mißerfolgs. 29
Politik und Staatsrecht nicht seine Sache waren. Als „Kornak“
wünschte er sich Otto v. Manteuffel, Director im Ministerium
des Innern, und Bismarck war es, der in mehrstündiger
Unterredung die Abneigung Manteuffels gegen den Kampf
auf der Bresche überwand.1) Das neue Ministerium trat am
9. November vor die Kammer; am 10. Nachmittags rückte
Wrangel ein.)) Daß er die Bürgerwehr durch Verhandlungen
zum Abzug bewog, statt sie durch Waffengewalt dazu zu
zwingen, erklärt Bismarck für einen politischen Fehler, nicht
minder, daß der König die Nationalversammlung nicht auflöste,
sondern unter gleichzeitiger Vertagung nach Brandenburg ver-
legte. Es war immer Friedrich Wilhelms IV. Schwäche,
halbe Arbeit zu thun. Zu dieser Schwäche aber kam noch ein
Zweites: der „latente deutsche Gedanke Friedrich Wil-
helms IV.“"
Fürst Bismarck erörtert im ersten Abschnitte des dritten
Capitels (Erfurt, Olmütz, Dresden) die Ursachen der Miß-
erfolge Preußens auf dem Gebiete der deutschen Politik. „Der
König hoffte, das Wünschenswerthe würde kommen, ohne daß
er seine legitimistischen Traditionen zu verletzen brauchte.“ Er
hatte nicht den Muth, die Macht, die ihm der Sieg des Mini-
steriums Brandenburg und die Niederwerfung des badischen
Aufruhrs gaben, zunächst in Preußen selbst gegen die Revolution
zu verwerthen, weil er die Besorgniß hegte, „dasjenige Maß
von Wohlwollen in nationaler und liberaler Richtung zu ver-
lieren, auf dem die Hoffnung beruhte, daß Preußen ohne Krieg
und in einer mit legitimistischen Vorstellungen verträglichen.
Weise das Vorgewicht in Deutschland zufallen würde.“ Diese
Hoffnung, die bis in die Anfänge der Neuen Aera hinein in
der Phrase von dem deutschen Berufe Preußens Ausdruck fand,
beruhte auf einem doppelten Irrthum: einer Unterschätzung
1) Auch Bismarcks Name fand sich auf einer der Ministerlisten. Der
König hatte dazu, nach Gerlachs Mittheilung, an den Rand geschrieben:
„Nur zu gebrauchen, wenn das Bayonett schrankenlos waltet.“
2) Interessante Einzelheiten berichten die beiden Briefe Bismarcks
an seinen Bruder vom 10. und 11. November, Bismarckbriefe, 7. Aufl.,
S. 68f. 69 ff.