Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Streit über die Umwandlung der 1. Kammer in ein Herrenhaus. 45 
die ganze vollziehende Gewalt, vermöge deren die Initiative 
in der Gesetzgebung factisch und die Ausführung der Gesetze 
auch rechtlich der Krone zufällt. Das Königthum ist, wenn 
es sich seiner Stärke bewußt ist und den Muth hat, sie anzu- 
wenden, mächtig genug für eine verfassungsmäßige Monarchie, 
ohne eines ihm gehorsamen Herrenhauses als einer Krücke zu 
bedürfen. Auch wenn das Herrenhaus in der Conflictszeit 
sich für die ihm zugehenden Etatsgesetze die Beschlüsse des Ab- 
geordnetenhauses angeeignet hätte, so wäre immer, um ein 
Etatsgesetz zu Stande zu bringen, die Zustimmung des dritten 
Factors, des Königs, unentbehrlich gewesen, um dem Etat 
Gesetzeskraft zu geben.“ Bismarck vertritt die Ansicht, daß 
auch eine Erste Kammer den Beschlüssen des Abgeordneten- 
hauses nicht nur nicht beigetreten sein, sondern durch ihre 
sachlichen und leidenschaftslosen Debatten mäßigend auf das 
Abgeordnetenhaus eingewirkt und seine Ausschreitungen zum 
Theil verhindert haben würde. Indem die öffentliche Meinung 
geneigt war, in den Beschlüssen des Herrenhauses nur „eine 
parallele Ausdrucksform des königlichen Willens zu sehen“, 
legte sie seinem Widerspruch nicht die Bedeutung bei, die ihm 
in sachlicher Hinsicht gebührte. 
Bismarck hat einige der für die Beibehaltung der Ersten 
Kammer sprechenden Gründe auch dem Könige Friedrich 
Wilhelm IV. gegenüber geltend gemacht, sie fanden aber so 
wenig Anklang bei ihm, daß er im Glauben an die Ueber- 
legenheit der Einsicht des Königs die eigene Meinung zurück- 
drängte. Wäre die Frage, ob die Erste Kammer in ein Herren- 
haus umzuwandeln sei, 20 Jahre später an ihn herangetreten, 
so würde er von der Beibehaltung der Ersten Kammer sein 
Verbleiben im Amte abhängig gemacht haben. 
Gnade und Ungnade lagen bei Friedrich Wilhelm IV. 
nahe bei einander. Auch über Herrn v. Bismarck lachte nicht 
immer die Sonne der königlichen Gunst. Im August 1854 
berief der König Herrn v. Bismarck nach Putbus, um seine 
Feder für die Beantwortung der Depesche des Grafen Buol 
vom 10. August zu benutzen, da ihm der Manteuffelsche Entwurf 
zu österreichisch erschien. Nachdem Bismarck die Arbeit ge-
	        
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