Napoleonische Eröffnungen. Jagdausflug. Erkrankung des Königs. 49
durch einen Sturz eine schwere Verletzung des linken Schien—
beins zu, die er leider vernachlässigte, um einer Einladung zur
Jagd nach Kurland zu folgen, von der er erst Mitte September
über Berlin nach Frankfurt zurückkehrte.
In Berlin hatte sich mittlerweile eine Wendung vor-
bereitet. Im Juli 1857 war der König auf der Rückreise von
Schönbrunn in Pillnitz erkrankt; nach der Rückkehr nach Sans-
souci bemerkte seine Umgebung an ihm eine geistige Ermüdung,
die sich in den folgenden Wochen und Monaten noch verstärkte,
bis ein im October erfolgender Schlaganfall eine nahe Kata-
strophe erwarten ließ. In dieser Zeit — am 19. October —
hatte Bismarck mit dem Prinzen von Preußen, dem sich die
Möglichkeit einer sofortigen Thronbesteigung eröffnete, auf einem
langen Spaziergang in den neuen Anlagen eine interessante
Unterredung, die beweist, wie besonnen der angebliche „Junker“
alle heißspornigen reactionairen Gedanken ablehnte. Der Prinz
schien nicht abgeneigt, im Falle seiner Thronbesteigung die
Verfassung abzulehnen, oder doch eine Revision derselben zu
fordern. Bismarck rieth ihm aus Gründen der Politik, nicht
an der Sache zu rühren, denn man dürfe nicht die Befürchtung
der Möglichkeit eines Systemwechsels bei jedem Thronwechsel
hervorrufen. Preußens Ansehen in Deutschland und seine
europäische Handlungsfähigkeit würde durch einen Zwist zwischen
der Krone und dem Landtage gemindert werden, die Partei-
nahme gegen den beabsichtigten Schritt im liberalen Deutsch-
land allgemein sein. Man wußte bereits aus einem Briefe
Bismarcks an den General L. v. Gerlach), daß die lange
Unterredung zwischen dem Prinzen und Bismarck den Zorn
Edwins v. Manteuffel erregte, der sich in hochfahrenden Worten
gegen Bismarck Luft machte. Des Fürsten Erinnerungen geben
einige weitere Beiträge zu dem damaligen Intrigenspiel der
Camarilla, die den ihr unbequemen Prinzen gar zu gern
eliminirt hätte und für eine unter der Controle der Königin
geführte Regierung des kranken Königs thätig war. Durch
Bismarcks entschlossene Haltung, den man vergebens für den
1) Vom 19. December 1857, Briefe Bismarcks an L. v. G. S. 337 ff.
— Gerlachs Antwort vom 22. Dec. s. Bismarck-Jahrbuch II, 250ff.
Kohl, Wegweiser. 4