Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

54 VII. Petersburg — Paris — Berlin. 
durch ihr Costüm kenntlichen Kutschern der höheren Würden- 
träger wörtlich und thätlich angefahren zu werden, wenn man 
mit ihnen in unvermeidliche Berührung gerieth; und wer 
hinreichend Herr seines Pferdes war und eine Gerte in der 
Hand hatte, that wohl, sich bei solchen Conflicten als gleich- 
berechtigt mit dem Insassen des Wagens zu legitimiren." 
Auch im gesellschaftlichen Verkehre mit Mitgliedern der jüngeren 
Generation machte sich in Ton und Manieren ein Rückgang 
gegen die Zeiten Nikolaus' I. und Alexanders I. bemerkbar. 
In der dem Hofe nahestehenden Gesellschaftsschicht war die 
antideutsche Gesinnung durch Gortschakow vertreten, doch äußerte 
sie sich zur Zeit von Bismarcks Petersburger Gesandtschaft 
weniger stark als später, wo verletzte Eitelbeit und der Neid 
gegen den glücklicheren Collegen Gortschakows Wohlwollen für 
den jüngeren lernbegierigen Diplomaten in sein Gegentheil 
verkehrt hatte. Fürst Bismarck läßt es dahingestellt sein, ob 
diese Wandlung erst nach 1870 begann oder ob sie vor diesem 
Jahre schon vorhanden war und sich nur seiner Wahrnehmung 
entzog. Im ersteren Falle glaubt er als ein achtbares und 
für einen russischen Kanzler berechtigtes Motiv den Irrthum 
der Berechnung in Anschlag bringen zu können, daß die Ent- 
fremdung zwischen Oesterreich und Preußen auch nach 1866 
dauernd fortbestehen werde. An sich aber sieht Fürst Bismarck 
keinerlei Grund zur Feindschaft zwischen Deutschland und 
Rußland, und es liegt eine für unsere Diplomaten beherzigens- 
werthe Mahnung zu vorsichtiger Schonung der russischen 
Freundschaft in den Sätzen: „Es liegt nicht in unserem Interesse, 
Rußland in der Verwendung seiner überschüssigen Kräfte nach 
Osten hin hinderlich zu sein; wir sollten froh sein, wenn wir 
in unserer Lage und geschichtlichen Entwickelung in Europa 
Mächte finden, mit denen wir auf keine Art von Concurrenz 
der politischen Interessen angewiesen sind, wie das zwischen 
uns und Rußland bisher der Fall ist. Mit Frankreich werden 
wir Frieden haben, mit Rußland nie die Nothwendigkeit des 
Krieges, wenn nicht liberale Dummheiten oder dynastische 
Mißgriffe die Situation fälschen.“ An beiden hat es nicht 
gefehlt, um unser Verhältniß zu Rußland zu trüben; auf die
	        
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