56 VII. Petersburg — Paris — Berlin.
Eingriffen der politischen Polizei so sicher ist, als die
strengen gesetzlichen Bestimmungen zu seinem Schutze es er-
warten lassen.
Eine üble Erinnerung an Petersburg hat den Fürsten
Bismarck begleitet bis an sein Lebensende. Im Juni 1859
zog er sich nach anhaltendem Reiten in einer überheizten Reit-
bahn einen Rheumatismus in allen Gliedern zu, der sich zwar
nach einiger Zeit wieder verlor, aber in dem durch den Sturz
in Schweden 1857 beschädigten linken Bein einen geringen
Schmerz zurückließ. Ein von der früheren Großherzogin von
Baden empfohlener Dr. Walz, ein ärztlicher Charlatan, der
es durch Gunst vornehmer Gönner bis zu der Stellung eines
Dirigenten sämmtlicher Kinderhospitäler in Petersburg gebracht
hatte,!) beredete Bismarck zur Anwendung eines Pflasters,
das den zur Herstellung spanischer Fliegen verwendeten Stoff
in einer so starken Gabe enthielt, daß die fressende Wirkung
des Giftes auch noch fortdauerte, nachdem der Pfeudo-Arzt
1) Dieser Dr. Walz war jedoch nicht, wie Fürst Bismarck 1 235 auf Grund
späterer Ermittelungen erzählt, der Sohn des Universitätsconditors
Waltz in Heidelberg, sondern der Sohn des Ministerialraths Walz
in Karsruhe. Ich verdanke diese Berichtigung dem Herrn Dr. med.
Gustav Waltz in Heidelberg, dem Sohne des Universitätsconditors Waltz.
Die Herkunft des Staatsraths Dr. Walz aus Karlsruhe hat Professor
Kußmaurl festgestellt, der mit ihm in Freiburg in Berührung gekommen ist.
Die „Berliner Neuesten Nachrichten“ vom 14. Januar 1899 (No. 23 M.-A.)
stellen auf Grund einer größeren Zahl von Zuschriften über die Persön-
lichkeit des Dr. Walz fest: Der genannte ehemalige Petersburger Arzt lebt
78 Jahre alt seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Frankfurt a. O.
als Homöopath. Er ist am 2. October 1820 im Großherzogthum Baden
geboren, heißt: Karl Friedrich Walz, und führt den Titel: Dr. med., Kaiserl.
russischer Staatsrath a. D., praktischer Arzt. Herr Walz hat in Deutsch-
land kein Staatsexamen gemacht. Er wurde durch den Leibarzt des Kaisers
Nikolaus I., Staatsrath Dr. Mandt, nach Petersburg gezogen, ward dort
Arzt einer Großfürstin und hat lange Jahre in Petersburg gelebt. 1866
oder 67 kehrte er in sein badisches Heimathland zurück, erhielt dort auf
hohe Verwendung die Erlaubniß zum Prakticiren, ohne das Staatsexamen
gemacht zu haben, im 2. Theil des Börnerschen Medicinalkalenders steht er
als im Jahre 1867 „approbirt“ verzeichnet. In Folge der Freizügigkeit
konnte ihm in Preußen die in Baden erlangte Zulassung zur ärztlichen
Praxis nicht versagt werden. Er ließ sich zunächst im Westen nieder, siedelte
aber 1872 oder 73 nach Frankfurt a. O. über, wo er noch heute eine große
Praxis als Homöopath betreibt.