Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

58 VII. Petersburg — Paris — Berlin. 
gebrachten russischen Macht zu verdanken gewesen sei. Preußen 
habe sich der österreichischen Politik in einer Weise unterworfen, 
welche an den Versuch erinnere, ein Huhn durch einen 
Kreidestrich zu fesseln; wage Preußen, den Zauber des Kreide- 
strichs zu brechen, so werde Graf Buol die starke Stellung 
nicht fernerhin mißachten können, in der sich Preußen that- 
sächlich befinde. Schleinitz antwortete in einem wohlvorbereiteten 
Vortrage, daß Friedrich Wilhelm III. in seinem Testament den 
engen Anschluß an Oesterreich seinen Nachfolgern empfohlen 
habe, und schilderte beredt die Bedenken und Gefahren, die 
von Frankreich und im Innern drohten, wenn, trotz aller 
berechtigten Gründe zur Empfindlichkeit, die Beziehungen zu 
Oesterreich nicht erhalten würden. In seiner Begründung 
spielte die Gefahr einer russisch-französischen Verbindung eine 
ebenso wichtige Rolle, wie die Abneigung der öffentlichen 
Meinung gegen eine russisch-preußische Allianz, und diesen 
Beweisgründen gegenüber, die geschickt auf die Gefühle des 
Prinzen berechnet waren, erklärte sich der Regent kurzer Hand 
für die Beibehaltung der Schleinitzschen Politik: der Eintritt 
Bismarcks war damit unvereinbar. 
Das Jahr 1861 brachte in das Ministerium der neuen 
Aera einen Streit grundsätzlicher Natur. König Wilhelm wollte 
sich in alter Weise huldigen lassen, die Mehrzahl seiner Minister 
hielt die Erneuerung der Erbhuldigung für einen Angriff auf 
die Verfassung und verweigerte die Mitwirkung. Die Frage 
spitzte sich schnell genug zu einer Ministerkrisis zu, in der nur 
der Kriegsminister Roon zum König hielt. Dieser glaubte, 
vor dem Willen der Mehrheit seiner Minister nicht zurück- 
weichen zu können, ohne der Monarchie etwas zu vergeben, 
und fürchtete doch die Anknüpfung von Beziehungen zu den 
Männern der Rechten, (die Roon empfahl), um nicht den 
mühsam erworbenen Ruhm eines „liberalen“ Fürsten zu ver- 
lieren. Erst nach einigem Zögern gestattete er Roon, mit 
Bismarck über die Frage seines Eintritts in's Ministerium 
in Verhandlung zu treten. Dies geschah in einem Briefe vom 
27. Juni 1861, der, von mir schon früher im Bismarck- 
Jahrbuch veröffentlicht, in die „Gedanken und Erinnerungen"“
	        
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