Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

60 VII. Petersburg — Paris — Berlin. 
Namen einer Locke verdient“.) Von dort kehrte er nach Peters— 
burg zurück. 
Aber seine Zeit kam. Im Mai 1862 wurde Bismarck 
vom Grafen Bernstorff, der an Schleinitzs Stelle im October 1861 
das Ministerium des Auswärtigen übernommen hatte, aber- 
mals nach Berlin berufen, um zur Hand zu sein, falls die Ent- 
scheidung des Königs falle. An der Spitze des Ministeriums stand 
damals — dem Namen nach als Vertreter des Ministerpräsidenten 
Fürsten von Hohenzollern, in Wirklichkeit als sein Nachfolger — 
Prinz Adolf von Hohenlohe-Ingelfingen, seiner Stellung weder 
körperlich noch geistig gewachsen und von dem dringenden 
Wunsche beseelt, so bald als möglich von der Last seines 
Martyriums erlöst zu werden. Er bestürmte Bismarck um 
diesen Dienst, fand aber bei ihm wenig Geneigtheit dazu, 
in das Ministerium einzutreten. Sicherlich nicht, weil er 
nicht den Muth hatte, gegen die liberale Opposition des Ab- 
geordnetenhauses zu kämpfen, sondern weil er nicht wußte, 
wie weit der König ihm zu folgen bereit war. Auch der 
König konnte sich nicht entschließen, durch Bismarcks Berufung 
die Brücke hinter sich abzubrechen, und so blieb die Frage 
einstweilen offen: Herr v. Bismarck wurde vorläufig zum Ge- 
sandten in Paris ernannt und übergab am 1. Juni in den 
Tuilerien sein Beglaubigungsschreiben. Monate vergingen, 
ein Hangen und Langen in schwebender Pein. Bismarck reiste 
während der Sommermonate in die Pyrenäen, immer von 
der quälenden Sorge verfolgt, ob er in Paris oder London 
sich dauernd niederlassen dürfte, wie er wünschte, oder dem 
Rufe des Königs folgend, den Kampf um die bedrohten Rechte 
der preußischen Krone auf sich nehmen müsse. Die dem Werke 
einverleibte, in ihren Hauptstücken schon bekannte Correspondenz 
zwischen Roon und Bismarck und der von mir im 6. Bande 
des Bismarck-Jahrbuchs veröffentlichte Briefwechsel zwischen 
Bernstorff und Bismarck geben alle erwünschte Auskunft über 
die Verschärfung des Streites wegen der Armeereorganisation, 
die wachsende Rathlosigkeit des Königs, Bernstorffs Un- 
  
1) Brief an die Schwägerin, Bismarckbriefe 7. Aufl. S. 322 ff.
	        
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