Der polnische Aufstand. Die Convention. 77
kreis des ehemaligen polnischen Staates entflammen werde.
Dem verantwortlichen Leiter der preußischen Politik erwuchs
aus dieser Erkenntniß die Pflicht, zur Sicherung des eigenen
Staates dem gefährdeten Nachbar hilfreiche Hand zur Abwehr
des gemeinsamen Feindes zu leisten, mindestens den guten
Willen zu eventueller Hilfeleistung zu beweisen. In dieser
Absicht betrieb Bismarck den Abschluß der Convention vom
8. Februar 1863, die von den Liberalen in den härtesten
Ausdrücken als eine Schmach, als eine Versündigung am
Geiste der Menschlichkeit, als ein Act preußischer Vasallenschaft
gegenüber Rußland verurtheilt und bekämpft wurde, obwohl
Niemand den Text der Convention kannte. Auch bis heute noch
ist der Wortlaut der Convention nicht bekannt gegeben worden,
wenn auch der Inhalt kein Geheimniß mehr ist. Und dieser Inhalt
steht streng genommen im umgekehrten Verhältniß zu dem Auf-
wande von sittlichem Pathos, das uns in den Reden von Sybel,
Twesten, Parrisius begegnet. Auf Ersuchen des russischen und
des preußischen Oberbefehlshabers oder der beiderseitigen Grenz-
behörden sollten die beiderseitigen Truppenführer bevollmächtigt
werden, sich gegenseitig Hilfe zu leisten und nöthigenfalls auch
die Grenze zu überschreiten zur Verfolgung der Rebellen, die aus
dem einen Lande in das andere überträten. Besondere Offiziere
beider Theile sollten den Hauptquartieren der Höchstcommandiren-
den und der Corpsführer beigegeben und in Kenntniß aller
Bewegungen erhalten werden. Auf Gortschakows Betrieb wurde
dem Entwurfe am Schlusse noch die Clausel hinzugefügt, daß
diese Vereinbarung so lange in Kraft bleiben sollte, als die
Lage der Dinge es erforderte und die beiden Höfe es an-
gemessen erachteten. Nahmen diese Worte an sich der Con-
vention schon den Charakter eines Vertrages, so verlor sie
solchen vollends durch die Thatsache, daß sie von den Monarchen
nicht unterzeichnet und dadurch niemals aus dem Stadium
des Entwurfs herausgekommen ist. Sie blieb immer nur auf
dem Papiere — und bedeutete doch einen großen Sieg der
Bismarckschen Diplomatie. Sehr willkommen sind die Auf-
schlüsse, welche Fürst Bismarck in den „Gedanken und Erinne-
rungen“ über die leitenden Erwägungen giebt.