1854
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Entwurf zu einer Ansprache an die Kammern?.
Meine Herren,
Die politischen Verhältnisse in Europa gestalten sich mehr
und mehr in so drohender Weise, daß es die ernste Pflicht der
Regierung Sr. Majestät ist, die herannahenden Gefahren fest
ins Auge zu fassen und die Mittel in Erwägung zu ziehen,
welche zur Abwehr derselben von unserem Vaterlande anzu-
wenden sind.
Der Russisch-Türkische Streit hat von Anfang an die Auf-
merksamkeit des Cabinets seiner ganzen Bedeutung nach in
Anspruch genommen. Die Regierung war sich dabei doppelter
Pflichten bewußt, welche einer Seits aus der Stellung unseres
Staates als Europäischer Macht, anderer Seits aus den speciellen
Verhältnissen Preußens und Deutschlands herzuleiten sind.
In ersterer Beziehung glaubte die Regierung zunächst die
ihr zukommende Stelle dadurch wahren zu müssen, daß sie die
vollständige Freiheit ihrer Entschließungen und Handlungen sich
vorbehielt, Alles zurückwies, was sie in dieser Freiheit hemmen
konnte. Als demnächst in Wien eine Conferenz sich bildete,
welche sich die Aufgabe stellte, jenen unseligen Streit, den das
Russische Cabinet als eine nur die Pforte und Rußland be-
treffende Sache behandelt sehen wollte, zum Austrag zu bringen,
hat Preußen keinen Anstand genommen, sich bei diesen Be-
rathungen zu betheiligen und mit seiner rechtlichen Ansicht von
der Sache nicht zurückgehalten. Die Regierung ist sich der
darüber zeugenden (7) Protokolle und der daraus folgenden
Consequenzen vollkommen bewußt.
Dieselbe hat aber — und hier tritt die zweite Seite der
*) Von Manteuffels Hand.