Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

108 Achtes Kapitel: Meine Entlassung. 
  
nicht abgewartet, sondern schon vorher den badischen Gesandten 
gewonnen. 
Der Großherzog von Baden, der durch Acußerungen meines 
Sohnes gegen Herrn von Marschall erfahren hatte, daß seine 
entscheidende Einwirkung auf den Kaiser zu meiner Kenntniß 
gekommen war, machte mir am 24. einen Besuch und verließ 
mich in ungnädiger Stimmung. Ich sagte ihm, er habe dem 
Reichskanzler in dessen Competenz eingegriffen und meine Stel- 
lung bei Sr. Majestät unmöglich gemacht. 
Am 26. März verabschiedete ich mich bei dem Kaiser. Se. 
Majestät sagte, „nur die Sorge für meine Gesundheit“ habe 
ihn bewogen, mir den Abschied zu ertheilen. Ich erwiderte, 
meine Gesundheit sei in den letzten Jahren selten so gut ge- 
wesen wie in dem vergangenen Winter. Die Veröffentlichung 
meines Abschiedsgesuchs wurde abgelehnt. Gleichzeitig mit dem 
Eingange desselben hatte Caprivi schon von einem Theile der 
kanzlerischen Dienstwohnung Besitz ergriffen; ich sah, daß Bot- 
schafter, Minister und Diplomaten auf dem Treppenflur warten 
mußten, ein Zwang für mich, das Packen und Abreisen dringend 
zu beschleunigen; am 29. März verließ ich Berlin unter diesem 
Zwange übereilter Räumung meiner Wohnung und unter den 
vom Kaiser im Bahnhof angeordneten militärischen Ehren- 
bezeigungen, die ich ein Leichenbegängniß erster Klasse mit 
Recht nennen konnte. 
Zuvor hatte ich von Sr. Majestät dem Kaiser Franz Joseph 
diesen Brief erhalten: 
„Wien, den 22. März 1890. 
Lieber Fürst. 
Die meine volle Theilnahme in Anspruch nehmende Nach- 
richt, daß Sie die Zeit gekommen erachten, Sich von den auf- 
reibenden Mühen und Sorgen Ihrer Aemter zurückzuziehen, 
hat nunmehr ihre offizielle Bestätigung gefunden. So sehr ich
	        
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