Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Caprivi's Bedenken. Seine Geschäftsübernahme. 115 
  
auch wenn die Begabung des betheiligten Deutschen Kaisers 
und Königs von Preußen der Friedrich's II. mehr als eben- 
bürtig ist. 
Ich hätte an Stelle des Herrn von Caprivi den Reichs- 
kanzlerposten nicht angenommen; um Cabinetssecretär oder 
Adjutant auf einem ihm fremden Gebiete zu werden, ist ein 
hoher preußischer General, der mehr als andere das Ver- 
trauen unseres Offiziercorps hat, ein zu vornehmer Mann, 
und die Politik ist an sich noch kein Schlachtfeld, sondern 
nur die sachkundige Behandlung der Frage, ob und wann 
Krieg nothwendig sein wird und wie er sich mit Ehren 
verhüten läßt. Ich kann die Caprivi'sche Schlachtfeldtheorie 
nur gelten lassen in Situationen, wo die Existenz der Mon- 
archie und des Vaterlandes auf dem Spiele steht, in Situa- 
tionen, für welche der Begriff der Dictatur sich geschichtlich 
ausgebildet hat, wie ich als solche beispielsweise die Lage von 
1862 ansah. 
Wie genau, ich möchte sagen subaltern Caprivi die „Con- 
signe“ befolgte, zeigte sich darin, daß er über den Stand der 
Staatsgeschäfte, die zu übernehmen er im Begriffe stand, 
über die bisherigen Ziele und Absichten der Reichsregirung 
und die Mittel zu deren Durchführung keine Art von Frage 
oder Erkundigung an mich gerichtet hat. Ich entnehme daraus, 
daß ihm präcis befohlen war, sich jeder Frage an mich zu 
enthalten, um nicht den Eindruck abzuschwächen, daß der Kaiser 
selbst und ohne eines Kanzlers zu bedürfen regirte. Es ist 
mir nie vorgekommen, daß eine Pachtübergabe nicht eine ge- 
wisse Verständigung zwischen dem abziehenden und dem an- 
ziehenden Pächter erfordert hätte; in der Regirung des Deutschen 
Reiches mit allen ihren complicirten Verhältnissen ist ein ana- 
loges Bedürfniß aber nicht hervorgetreten. Die Wendung in 
meiner Verabschiedung, daß der Kaiser meinen Rath benutzen 
würde, hat nie eine praktische Bethätigung erfahren, und die
	        
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