Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Zur psychologischen Erklärung Caprivi's. 117 
  
bevorstehenden Eröffnungen wie meine Collegen, mit Aus- 
nahme Botettichers. 
Auch nach meiner Entlassung ist sorgfältig vermieden worden, 
mit mir in irgend welche Beziehung zu treten, augenscheinlich 
um nicht in den Verdacht zu gerathen, daß man meine Er- 
fahrung, Sach= und Personenkenntniß zu benutzen ein Bedürfniß 
empfinde. Ich wurde streng boycottirt und unter Quarantäne 
gehalten als Herd von Bacillen der Seuchen, an denen wir 
politisch gelitten hatten, als ich Kanzler war. 
Neben der militärischen Auffassung mögen auf Caprivi im 
Amte und vorher auch psoychologische Consequenzen seiner 
tantalisirten Jugend mitgewirkt haben, welche für einen Garde- 
offizier ohne Vermögen von Entbehrungen und Bitterkeiten 
nicht frei war, die Empfindung, daß der Abschluß des Lebens 
in höchster Stellung einc ausgleichende Gerechtigkeit des 
Schicksals sei. Daß die Verstimmung, unter welcher er gegen 
Leute in meiner Stellung vor zwanzig und mehr Jahren ge- 
litten haben konnte, diesen Zeitraum überlebt hatte, habe ich 
daraus entnommen, daß sein Verhältniß zu mir von dem 
Augenblick der ersten Eröffnung, die ihm der Kaiser gemacht 
hatte, weder in Berlin noch in Wien von der gleichen rein 
sachlichen Erwägung getragen worden ist, wie das meinige zu 
ihm, ungeachtet der mir bekannten unfreundlichen Stimmung, 
stets geblieben war. Die letztre zu überwinden, war mir auch 
während der Zeit nicht gelungen, da wir Collegen im Reichs- 
dienste waren, zur Zeit seiner Marineverwaltung, trotz allen 
Aufwandes persönlicher Liebenswürdigkeit, welche ich zu diesem 
Zwecke eingesetzt habe; es war immer den Leuten „mit Ar und 
Halm“ gegenüber der Jugendeindruck eines Jahre lang tanta- 
lisirten Offiziers ohne Zulage durchzufühlen se). 
X) Ich kann nicht leugnen, daß mein Vertrauen in den Charakter 
meines Nachfolgers einen Stoß erlitten hat, seit ich ersahren habe, daß
	        
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