Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Die gleiche Politik dem Auslande gegenüber. 133 
  
halter ängstlicher wurden. Die dem russischen Monarchen per- 
sönlich unbegueme Anmeldung des Kaisers im Herbst 1889 zu 
einem zweiten, 1890 ausgeführten Besuche hatte unerfreuliche 
Ergebnisse. Nicht richtiger erscheint mir das Verhalten Eng- 
land und Oestreich gegenüber. Anstatt bei ihnen die Vorstel- 
lung zu nähren, daß wir schlimmsten Falls auch ohne sie nicht 
verloren sind, ist ihnen gegenüber ein System der Trinkgelder 
gehandhabt worden, dessen Kosten bei uns schwer empfunden 
werden und das uns als hülfsbedürftig erscheinen läßt, während 
beide unserer Hülfe mehr bedürfen als wir der ihrigen. Eng- 
land könnte bei der Mangelhafiugkeit seiner Landstreitkräfte, 
wenn es von Frankreich oder von Rußland in Indien und im 
Orient bedroht würde, gegen jede dieser Bedrohungen Deckung 
finden im Beistande Deutschlands. Wenn man aber bei uns 
mehr Gewicht auf die Freundschaft Englands legt als Eng- 
land auf die unserige, so wird damit die Selbstüberschätung 
Englands uns gegenüber befestigt und die Ueberzeugung, daß 
wir uns geehrt fühlen, wenn wir ohne Gegenleistung für eng- 
lische Zwecke ins Feuer gehn können. Noch zweifelloser ist in 
unseren Beziehungen zu Oestreich die grösere Bedürfnißlosig- 
keit auf unserer Seite und nicht abzusehn, weshalb wir bei den 
Begegnungen in Schlesien den ohnehin sichern Besitz unserer 
gegenseitigen Anlehnung durch das Versprechen wirthschaftlicher 
Concessionen zu erkausen oder zu befestigen ein Bedürfniß ge- 
habt hätten. Die Redensart, daß Verschmelzung der wirth- 
schaftlichen Interessen, das heißt Begünstigung der östreichischen 
auf Kosten der deutschen, eine nothwendige Folge unserer poli- 
tischen Intimität sei, ist mir zehn Jahre lang in wechselnden 
Formen von Wien her entgegen getreten, und ich bin der darin 
liegenden Zumuthung ohne schrofse Ablehnung, aber auch ohne 
ihnen im Geringsten nachzugeben, mit freundlicher Höflichkeit 
ausgewichen, bis dieselbe in Wien als aussichtslos erkannt und 
aufgegeben wurde. Aber in Rohnstock scheint zwischen den
	        
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