134 Zehntes Kapitel: Kaiser Wilhelm II.
beiden Kaisern die Zumuthung von östreichischer Seite so ge-
schickt in den Vordergrund geschoben zu sein, daß die natürliche
Neigung, dem Gastfreunde angenehm zu sein, diesseitige Zu-
sagen erzeugt haben mag, welche der Kaiser Franz Joseph
utiliter acceptirt hat. Bei den folgenden Besprechungen der
Minister wird ebenfalls die östreichische routinirte Geschäfts-
gewandtheit unsern Neulingen und Frcihändlern gegenüber im
Vortheil gewesen sein. Es mag sein, daß militärisch mein
Freund und College Kalnoky meinem Nachfolger nicht ge-
wachsen gewesen wäre, auf dem Felde der wirthschaftlichen
Diplomatie aber war er ihm überlegen, obwohl auch von Hause
aus nicht Fachmann.
Eine Wandlung in den persönlichen Beziehungen zwischen
den Kaisern Wilhelm II. und Alexander III. hat auf die Stim-
mung des Ersteren zunächst eine Wirkung gehabt, die nicht ohne
Besorgniß zu beobachten war.
Im Mai 1884 wurde der Prinz Wilhelm von seinem Groß-
vater nach Rußland geschickt, um den Thronfolger bei erreichter
Großjährigkeit zu beglückwünschen. Die nahe Verwandtschaft,
die Verehrung des Kaisers Alexander für seinen Großoheim
sicherten ihm einen wohlwollenden Empfang und eine aus-
zeichnende Behandlung, an die er damals in eigner Familie
noch nicht gewöhnt war; vom Großvater instruirt, trat er vor.
sichtig und zurückhaltend auf; der Eindruck war auf beiden
Seiten befriedigend. Im Sommer 1886 ging der Prinz wieder
nach Rußland, um den Kaiser, der in den polnischen Provinzen
Revüen abhielt, in Brest-Litowsk zu begrüßen. Hier wurde er
noch freundlicher als bei seinem ersten Besuche empfangen und
hatte Gelegenheit, Ansichten zu äußern, welche dem Kaiser zu-
sagten, nachdem dessen Bruch mit dem Fürsten Alexander von
Bulgarien erfolgt war und der russische Einfluß in Constanti-
nopel mit dem englischen bis zur Spannung zu kämpfen hatte.
Der Prinz war in frühster Jugend gegen England und alles