Weitere Entwicklung des Verhältnisses zu Rußland. 143
die Stimmung Sr. Majestät zu beseitigen. Mein Sohn sragte,
was russenfreundlich heiße? Man solle ihm politische Actionen
bezeichnen, die zu russenfreundlich, das heißt also für unsere
Politik nachtheilig seien. Unsere auswärtige Politik sei ein
durchdachtes und sorgsam behandeltes Ganzes, welches die
amateurs-Politiker und Militärs, die Sr. Majestät in die
Ohren bliesen, nicht übersähen. Wenn Se. Majestät kein Ver-
trauen habe und sich durch Intriganten einnehmen lasse, so
solle er doch meinen Sohn und mich in Gottes Namen gehn
lassen; er habe nach bestem Gewissen und Vermögen an meiner
Politik mitgearbeitet und seine Gesundheit in den unleidlichen
Zerrungen, in deren Mittelpunkt er sich stets befände, zuge-
setzt. Wenn er jetzt noch eine Politik auf „Stimmung“ machen
solle, so gehe er lieber heut als morgen. Graf Eulenburg,
der eine andere Antwort erwartet haben dürfte, lenkte hierauf
mit der dringenden Bitte ein, seinen Bemerkungen keine wei-
tere Folge zu geben: er habe sich wohl ungeschickt ausgedrückt.
Einige Tage später, während der Schah von Persien in
Berlin zum Besuche war, ertheilte der Kaiser meinem Sohne
die Weisung, es müsse in der Presse gegen die neue russische
Anleihe geschrieben werden; er wolle nicht, daß noch mehr
deutsches Geld für russische Papiere nach Rußland ginge, welches
letztere damit nur seine Kriegsrüstungen bezahle. Einer seiner
hohen Militärs — wie im Laufe desselben Tags constatirt
wurde, der Kriegsminister General von Verdy — habe ihn
eben auf diese Gefahr aufmerksam gemacht. Mein Sohn er-
widerte, so läge die Sache nicht; es handle sich nur um eine
Conversion früherer russischer Anleihen, also um die beste Ge-
legenheit für deutsche Inhaber, baares Geld zu nehmen und
russische Papiere los zu werden, die im Kriegsfalle vielleicht
keine Zinsen nach Deutschland zahlen würden. Die Russen
wollten den Profit machen, für eine bestimmte Anleihe in Zu-
kunft ein Procent weniger zu zahlen; der Geldmarkt sei dafür