Weitere Entwicklung des Verhältnisses zu Rußzland. 145
Kindern; Spala sei ein zu kleines Jagdschloß und nicht auf
Besuche eingerichtet. Ich erwog dabei in Gedanken, daß die
beiden hohen Herren zu einem sehr engen Verkehr miteinander
genöthigt sein würden und in den durch eine so lange Zeit
hinzuspinnenden Unterhaltungen die Gefahr liegen könnte, emp-
findliche Punkte zu berühren.
Ich nahm mir vor, zu thun, was ich konnte, um diesen
Besuch zu verhindern. Die Verschiedenheit der Charaktere und
Denkweisen der beiden Monarchen war vielleicht keinem Zeit-
genossen so bekannt wie mir, und diese Bekanntschaft ließ mich
befürchten, daß ein längeres Beisammensein ohne jede geschäfts-
mäßige Controlle zu Frictionen, zur Abneigung und Verstim-
mung führen könne, und daß letztre beim Zaren schon durch
die längere Störung seiner Einsamkeit gegeben sei, wenn er
auch die Ankündigung des Besuchs seines Wirthes natürlich
mit Höflichkeit entgegengenommen hatte. Im Interesse des
Einvernehmens beider Cabinete hielt ich es für bedenklich, die
mißtrauische Defensive des Zaren mit der aggressiven Liebens-
würdigkeit unseres Herrn ohne Noth in enge und lange Be-
rührung zu bringen, und um so mehr, als durch die Anmeldung
ein Vorschuß an Zuthunlichkeit gewährt wurde, welcher der
russischen Politik gegenüber kaum und der mißtrauischen Ein-
schätzung des Kaisers Alexander gegenüber noch weniger an-
gebracht war. Wie begründet meine Besorgnisse waren, zeigte
sich in den Seite 83 erwähnten geheimen Berichten aus Peters-
burg, die, auch angenommen, daß sie übertrieben oder gefälscht
waren, doch mit Kenntniß der Situation geschrieben sein
mußten.
Der Kaiser war von meinem Bedenken, wo er Anerken-
nung erwartet hatte, unangenehm berührt und setzte mich vor
meiner Wohnung ab, anstatt in dieselbe einzutreten und über
Geschäfte weiter mit mir zu sprechen.
Der Besuch, den der Kaiser dem Zaren vom 17. bis
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. III. 10