150 Elftes Kapitel: Vertrag über Helgoland und Sansibar.
abhängiger, als damals Friedrich Wilhelm IV. sich erwies?
Vielleicht nur gefälliger? Aber auf Kosten des Reichs.
Die Neigung Caprioi's, für bedenkliche politische Maßregeln,
die er ohne Zweifel auf höheren Befehl betrieben hat, mir die
Verantwortlichkeit zuzuschieben, zeugt nicht gerade von politischer
Ehrlichkeit, so der Versuch, den Vertrag über Sansibar meiner
Initiative zuzuschreiben. Er sagte am 5. Februar 1891 im
Reichstage (Stenographische Berichte S. 1331):
„Ich will noch auf einen Vorwurf eingehen, der uns
wiederholt gemacht worden ist, nämlich den, daß Fürst Bis-
marck diese Abtretung schwerlich gemacht haben würde. Man
hat die jetzige Regirung darin mit der vorigen verglichen,
und der Vergleich fiel zu unserem Nachtheil aus. Nun würde
ich ganz und gar ein pflichtvergessener Mensch sein, wenn ich,
als ich in dieses Amt eintrat und solche Verhandlungen über-
nahm, mich nicht, selbst wenn mein Vorgänger nicht der be-
deutende Mann gewesen wäre, der er war, davon überzeugt
hätte: Was sind denn für Vorgänge da, und was hatte denn
die Regirung in der Sache vor, was hat sie für einen Stand-
punkt eingenommen? Das war ja eine ganz selbstverständliche
Pflicht, und Sie können glauben, daß ich dieser Pflicht mit
großem Eifer nachgegangen bin.“
Auf welche Weise er sich informirt hat, weiß ich nicht.
Wenn es durch Actenlesen geschehen wäre, so hätte er nicht
aus den Acten herauslesen können, daß ich den Sansibar-
Vertrag angerathen hätte. Der Satz, daß England für uns
wichtiger sei als Afrika, den ich übereilten und übertriebnen
Colonialprojecten gegenüber gelegentlich ausgesprochen habe,
kann unter Umständen ebenso zutreffend sein wie der, daß
Deutschland für England wichtiger als Ostafrika sei, er war
es aber nicht zu der Zeit, als der Helgoländer Vertrag ab-
geschlossen wurde. Es war den Engländern garnicht eingefallen,
von uns den Verzicht auf Sansibar zu verlangen oder zu er-