Begründung, wahrer Grund und Gefahr des Vertrages. 151
warten; im Gegentheil begann man in England sich mit dem
Gedanken vertraut zu machen, daß der deutsche Handel und
Einfluß daselbst im Wachsen sei und schließlich die Herrschaft
erlangen werde. Die Engländer in Sansibar selbst waren bei
der ersten Nachricht von dem Vertrage überzeugt, daß sie
irrthümlich sei, da nicht zu begreifen sei, weshalb wir eine
solche Concession hätten machen können. Der Fall, daß wir
zwischen der Behauptung unseres afrikanischen Besitzstandes
und einem Bruch mit England zu wählen hätten, lag nicht
vor; und nicht das Bedürfniß, unsern Frieden mit England zu
erhalten, sondern der Wunsch, Helgoland zu besitzen und England
gefällig zu sein, erklären den Abschluß des Vertrages. Nun
liegt in dem Besitze dieses Felsens eine Genugthuung für
unsere nationalen Empfindungen, aber zugleich entweder eine
Verminderung unserer nationalen Sicherheit gegen eine über-
legene französische Flotte oder die Nöthigung, aus Helgo-
land ein Gibraltar zu machen. Bisher war dasselbe im Falle
einer französischen Blokade unserer Küsten durch die englische
Flagge gedeckt und konnte für die Franzosen kein Kohlendepot
und Proviantmagazin werden. Das wird aber geschehn, wenn
im nächsten französischen Kriege die Insel weder durch eine
englische Flotte noch durch ausreichende Befestigungen geschützt
ist. Auf diese Betrachtungen, die in der Presse laut geworden
waren, sollte es wohl eine widerlegende Antwort sein, als
Caprivi am 30. November 1891 im Reichstage sagte:
„England hat Bedürfnisse in manchen Welttheilen, hat Be-
sitzungen rund um den Erdball, und es möchte am Ende nicht
ganz schwer geworden sein für England, ein Tauschobject zu
finden, was ihm willkommen gewesen wäre und für das es
wohl geneigt gewesen wäre die Insel sortzugeben. Ich möchte
einmal den Entrüstungssturm — und in diesem Falle würde
ich ihn für berechtigt gehalten haben — gesehen haben, wenn
im Lause von Jahr und Tag oder kurz vor Ausbruch eines