Zwölftes Kapitel.
Handelsvertrag mit Oestreich.
Der Versuch, die intimen politischen Beziehungen, in welchen
Oestreich vermöge der deutschen Traditionen und Entwicklung
zu uns stand, zur Gewinnung wirthschaftlicher Vortheile aus-
zubeuten, ist, wie erwähnt ), zuerst zur Zeit des Fürsten
Schwarzenberg in Gestalt des Strebens nach Zolleinigung ge-
macht und später in verschiedenen Anläufen wiederholt worden.
Er ist stets schon in den ersten Anfängen gescheitert an der
Unmöglichkeit, einen richtigen Vertheilungèmaßstab zu finden
für die Einkünfte, die aus der zollpflichtigen Consumtion der
betheiligten Bevölkerungen sich ergeben. Die Erkenntniß der
Unmöglichkeit voller Zolleinigung hat das natürliche Bestreben
nicht beseitigen können, uns im Wege der Handelsverträge
Vortheile abzugewinnen. Die Abschwächung der monarchischen
Gewalt, der Bedarf an Stimmen im Parlament vermehren
das Gewicht der Begehrlichkeit gewisser Wählerklassen. Die
ungarische Reichshälfte hat in den letzten Jahrzehnten ein Ueber-
gewicht gewonnen, und die galizischen Stimmen sind nicht nur
für parlamentarische Majoritäten und auswärtige Eventuali-
täten von stärkerem Gewichte als früher. Die agrarischen Be-
gehrlichkeiten dieser östlichen Landestheile Oestreichs haben Ein-
fluß auf die Entschließungen der Regirung gewonnen, und
wenn die letztere zur Befriedigung derselben durch ihre Ge-
fälligkeiten auf Kosten und vermöge der Unerfahrenheit Deutsch-
&X) S. Bd. l 346 f. [— I 375 f. der Volks-, I 396 f. der Neuen
Ausgabe.)