Mentoren und Einflüsse. Erste Verstimmung. 5
kann nur in seltnen Fällen darauf rechnen, durch den Einfluß
seiner Umgebung in der Vorbereitung für seinen künftigen Be-
ruf gefördert zu werden. Die Beschränktheit des Vorlebens,
zu welchem der jetzige Kaiser durch die Sparsamkeit des Haus-
ministeriums verurtheilt wurde und die ich nicht zu ändern ver-
mochte, habe ich tief beklagt. Er ist dann auch mit Anschauungen
auf den Thron gekommen, die für unfre preußzischen Begriffe
neu und nicht durch unser Verfassungsleben geschult sind.
Seit dem Jahre 1884 unterhielt der Prinz einen zu Zeiten
lebhaften Briefwechsel mit mir. In demselben wurde ein Ton
von Verstimmung auf seiner Seite zuerst bemerklich, nachdem
ich mit triftigen Gründen, aber mit aller Devotion in der Form
ihm von zwei Vorhaben abgerathen hatte. Das eine knüpft
sich an den Namen Stöcker.
Am 28. November 1887 fand bei dem General-Quartier-
meister Grasen Walderfee eine Versammlung statt, an welcher
der Prinz und die Prinzessin Wilhelm, der Hofprediger Stöcker,
Abgeordnete und andre bekannte Persönlichkeiten Theil nahmen,
um die Beschaffung von Mitteln für die Berliner Stadtmission
zu besprechen. Der Graf Waldersee eröffnete die Verhandlung
mit einer Rede, in welcher er betonte, daß die Stadtmission
keine politische Farbe trage, sondern ihre einzige Norm an der
Königstreue und Pflege des patriotischen Geistes habe; das
einzige wirksame Mittel, den anarchistischen Tendenzen entgegen
zu treten, sei die geistliche Versorgung, die mit der materiellen
Unterstützung Hand in Hand ginge. Der Prinz Wilhelm sprach
seine Zustimmung zu den Ausführungen des Grafen Waldersee
aus und hat sich nach dem Referat der Kreuzzeitung des Aus-
drucks „christlich-socialer Gedanke“ bedient.
Aus dieser Versammlung kommend machte der Prinz meinem
Sohne einen Besuch, sprach über die Vorgänge in derselben
und äußerte: „Der Stöcker hat doch etwas von Luther."“ Mein