16 Erstes Kapitel: Prinz Wilhelm.
scheint, wie immer national sie sich halten mögen, solange der
Kaiser der stärkere ist. So war es seit 1000 Jahren, und so wird
es sein, wenn die alte Eifersucht der Dynastien wieder gereizt
wird. Acheronta movebunt; auch die Opposition im Parlament
würde eine ganz andere Kraft gewinnen, wenn die bisherige
Geschlossenheit des Bundesrathes aufhörte und Baiern und
Sachsen mit Richter und Windthorst gemeinsame Sache machten.
Es ist also eine sehr richtige Politik, die Ew. veranlaßt, Sich
in erster Linie an Jdie Herren Vettern wenden zu wollen.
Ich würde aber unterthänigst anheimstellen, dies mit der Zu-
sicherung zu thun, daß der neue Kaiser die „vertragsmäßigen
Rechte der verbündeten Fürsten ebenso gewissenhaft achten und
schützen werde wie Seine Vorgänger. Es wird sich nicht
empfehlen, dabei den „Ausbam und das Einigen des Reiches,
als eine bevorstehende Arbeit, besonders zu accentuiren;
denn darunter werden die Fürsten weitre „Centralisation“ und
Minderung der ihnen nach der Verfassung gebliebenen Rechte
verstehn. Wenn aber Sachsen, Baiern, Würtemberg stutzig
würden, so wäre der Zauber der nationalen Einheit mit seiner
mächtigen Wirkung auch in Preußens neuen Provinzen, und
besonders im Auslande, gebrochen. Der nationale Gedanke
ist auch den Social= und andren Demokraten gegenüber, auf
dem Lande vielleicht nicht, aber in den Städten stärker als der
christliche. Ich bedauere es, sehe aber die Dinge, wie sie sind.
Die festeste Stütze der Monarchie suche ich aber in beiden nicht,
sondern in einem Königthum, dessen Träger entschlossen ist, nicht
nur in ruhigen Zeiten arbeitsam mitzuwirken an den
Regirungsgeschäften des Landes, sondern auch in kritischen
lieber mit dem Degen in der Faust auf den Stufen des Thrones
für sein Recht kämpfend zu fallen, als zu weichen. Einen solchen
Herrn läßt kein deutscher Soldat im Stich, und wahr bleibt
das alte Wort von 1848: „Gegen Demokraten helfen nur Sol-
daten. Priester können dabei viel verderben und wenig helsen;