Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Antwort Biemarck's, die Stadimission betreffend. 21 
  
gefühl gebietet mir, dem Kaiserhause und dem Lande ehrlich 
zu dienen, so lange ich kann, und zu diesem Dienst gehört es, 
daß ich Ew. in Antwort auf Höchstdero Schreiben dringlich ab- 
rathe, Sich vor der Thronbesteigung schon die Fessel irgend 
welcher politischen oder kirchlichen Vereinsbeziehung aufzuer- 
legen. Alle Vereine, bei welchen der Eintritt und die Thätig- 
keit der einzelnen Mitglieder von diesen selbst abhängig ist und 
von ihrem guten Willen und persönlichen Ansichten, sind als 
Werkzeuge zum Angreifen und Zerstören des Bestehenden 
sehr wirksam zu verwenden, aber nicht zum Bauen und Er- 
halten. Jeder vergleichende Blick auf die Ergebnisse conser- 
vativer und revolutionärer Vereinsthätigkeit überzeugt von dieser 
bedauerlichen Wahrheit. Zum positiven Schaffen und Erhalten 
lebensfähiger Reformen ist bei uns nur der König an der 
Spitze der Staatsgewalt auf dem Wege der Gesetzgebung 
befähigt. Die Kaiserliche Botschaft bezüglich socialer Reformen 
wäre ein todter Buchstabe geblieben, wenn ihre Ausführung von 
der Thätigkeit freier Vereine erwartet worden wäre; die können 
wohl Kritik üben und über Schäden Klage führen, aber heilen 
können sie letztere nicht. Das sichere Mißlingen ihrer Unter- 
nehmungen können die Vereinsmitglieder um so leichter tragen, 
als jeder nachher den Andern anklagt; einen Thronfolger als 
Protector aber trifft es schwerer in der öffentlichen Meinung. 
Mit Ew. in einem Verein zu sein, ist für jedes andere Mit- 
glied ehrenvoll und nützlich ohne jedes Risico; nur für Ew. 
tritt das umgekehrte Verhältniß ein; jedes Mitglied fühlt sich 
gehoben und macht sich wichtig mit dem Vereinsverhältniß zum 
Thronerben, und Letzterer hat allein als Gegenleistung für die 
Bedeutung, welche er dem Verein verleiht, Nichts als die Ge- 
fahr des Mißlingens durch Anderer Schuld. Aus dem an- 
liegenden Ausschnitt der Freisinnigen Zeitung, der mir heut 
zugeht, wollen Ew. huldreich ersehn, wie schon heut die Demo- 
kratie bemüht ist, Hochdieselben mit der sogenannten christlich-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.