22 Erstes Kapitel: Prinz Wilhelm.
socialen Fraction zu identificiren. Sie druckt die Sätze ge-
sperrt, durch welche Ew. und meine Beziehungen zu dieser
Fraction in's Publikum gebracht werden sollen. Das geschieht
von der Freisinnigen Zeitung doch gewiß nicht aus Wohlwollen
oder um der Regirung des Kaisers einen Dienst zu erweisen.
„Religiöse und sittliche Bildung der Jugend ist an sich ein ehren-
werther Zweck, aber ich fürchte, daß hinter diesem Aushänge-
schild andere Ziele politischer und hierarchischer Richtung ver-
folgt werden. Die unwahre Insinuation des Pastors Seydel,
daß ich ein Gesinnungsgenosse sei und ihn und seine Genossen
vorzugs weise als Christen betrachtete, wird mich zur Wider-
legung nöthigen, und dann wird es offenbar werden, daß
zwischen den Herrn und mir das Verhältniß ziemlich dasselbe
ist wie mit jeder anderen Opposition gegen die jetzige Regirung
Sr. Majestät.
Ich laufe Gefahr, in der That doch ein Buch zu schreiben;
ich habe seit 20 Jahren zu viel unter der Giftmeascherei der
Herren von der Kreuzzeitung und den evangelischen Windt-
horsten gelitten, um in Kürze von ihnen reden zu können. Ich
schließe dieses überlange Schreiben mit meinem unterthänigen
und herzlichen Danke für die Gnade und das huldreiche Ver-
trauen, welches Ew. Schreiben mir bekunden.“
Darauf erhielt ich diese Antwort:
„Potsdam, den 11. Jannar 1888.
Ew. Durchlaucht Brief habe ich empfangen und spreche
meinen besten Dank aus für die eingehende und ausführliche
Entwickelung der Gesichtspunkte, aus welchen Sie mir von der
Unterstützung der Stadtmission abrathen zu sollen glauben. Ich
darf Ew. Turchlaucht versichern, daß ich mir alle Mühe ge-
geben habe, Ihren Standpunkt auch zu dem meinigen zu
machen. Vor Allem erkenne ich voll und ganz die Nothwen-