28 Zweites Kapitel: Grosherzog von Baden.
umgab, weil derselbe seine eignen Interessen geschickt wahr-
nahm.
Es hat Zeiten gegeben, wo der Großherzog unter dem
Druck äußerer Verhältnisse nicht im Stande war, seine Ueber-
zeugung über den Weg, auf dem die deutsche Frage zu lösen
sei, zu bethätigen, Zeiten, die sich an den Namen des Ministers
von Meysenbug und an die Jahreszahl 1866 knüpfen. In
beiden Fällen befand er sich einer force majeure gegenüber. In
der Hauptsache blieb er aber stets geneigt, den besten Antrieben
seines Popularitätsbedürfnisses, den nationalen, Folge zu leisten,
und sein Streben in dieser Richtung haue nur zu leiden von
einem parallelen Streben nach Anerkennung auf dem bürger-
lichen Gebiete, in der durch Louis Philipp's Beispiel gegebnen
Richtung, auch wo Beides schwer vereinbar war. Daß in der
schwierigen Zeit des Aufenthalts in Versailles, wo ich mich im
Kampfe mit ausländischen, weiblichen und militärischen Ein-
flüssen befand, der Großherzog der einzige unter don deut-
schen Fürsten war, der mir bei dem Könige in der Kaiserfrage
Unterstützung gewährte und mir activ und wirksam in der
Ueberwindung der preußisch-particularistischen Abneigung des
Königs beistand, ist bekannt N). Der Kronprinz war seinem
Vater gegenüber von der gewohnten Zurückhaltung, welche
ihn an wirksamer Geltendmachung seiner nationalen Gesinnung
hinderte.
Das Wohlwollen des Großherzogs ist mir auch nach dem
Frieden Jahrzehnte lang verblieben, wenn ich vorübergehende
Verstimmungen abrechne, die dadurch entstanden, daß die Inter-
essen Badens, wie er selbst oder seine Beamten sie auffaßten,
mit der Reichspolitik in Frictionen geriethen.
X) S. BVd. II 119 ff. [= II 146 ff. der Volks-, 11 141 ff. der Neuen
Ausgabe.])