Boetticher's Vorgänger, Aufgabe und Begabung. 39
Herrn von Hofmann als Minister in dem Reichslande zu über—
nehmen.
Ich bat alsdann den Kaiser, Herrn von Boetticher zum Nach-
folger Hofmann's zu ernennen, und durfte mir von diesem im
Verkehr mit den Parlamenten geschickten Beamten die Unter—
stützung versprechen, zu deren Leistung dieser Ministerposten ohne
Ressort in der Form eines adlatus des Kanzlers und Minister—
präsidenten ausschließlich geschaffen war. Herr von Boetticher
war im Reichsdienste mein Untergebner als Staatssecretär
des Innern, im preußischen Dienste mein amtlicher Beistand,
berufen, mich bei Vertretung meiner Ansichten zu unterstützen,
nicht aber eigne unabhängig geltend zu machen. Er hat diese
Aufgabe Jahre lang bereitwillig und mit Geschick erfüllt, eigne
Ansichten mir gegenüber nur mit großer Zurückhaltung und,
wie ich vermuthe, nur auf parlamentarische und anderweitige
Instigation vertreten. Eine definitive Aussprache meiner Ansicht
genügte stets zur schließlichen Erlangung seiner Zustimmung und
Mitwirkung. Er besitzt hohe Begabung für einen Unterstaats-
secretär, ist ein vorzüglicher parlamentarischer debater, geschickter
Unterhändler und hat die Fähigkeit, geistige Werthe von höherem
Betrage in Kleingeld unter die Leute zu bringen und durch die
ihm geläufige Form gutmüthiger Biederkeit Einfluß dafür zu
üben. Daß er niemals fest genug in seinen Ansichten war, um
sie dem Reichstage, geschweige denn dem Kaiser gegenüber mit
Beharrlichkeit zu vertreten, war für den ihm angewiesenen
Wirkungskreis nicht gerade ein wesentlicher Mangel; und wenn
er für Rang= und Ordensfragen einc krankhafte Empfindlichkeit
hatte, die bei getäuschter Erwartung in Thränen ausbrach, so
war ich mit Erfolg bemüht, dieselbe zu schonen und zu befriedigen.
Mein Vertrauen zu ihm war so groß, daß ich ihn nach dem
Abgange des Herrn von Puttkamer zu dessen Nachfolger als
Vicepräsidenten des Staatsministeriums empfahl. Auch in dieser
Stellung blieb er mein, des Präsidenten, Vertreter. Ein Dualis=