50 Fünftes Kapitel: Der Kronrath vom 24. Januar.
dem Kanzler“ hatte sprechen hören. Eine etwaige Verstimmung
darüber wurde durch berechnete Witzworte meiner Gegner ge-
steigert, in denen unter anderm von der Firma Bismarck und
Sohn die Rede war.
Ich war inzwischen, am 16. October, nach Friedrichsruh
gegangen. In meinem Alter hing ich um meiner selbst willen
nicht an meiner Stelle, und wenn ich die baldige Trennung
vorhergesehen hätte, so würde ich sie für den Kaiser bequemer
und für mich würdiger herbeigeführt haben. Daß ich sie nicht
vorhergesehen habe, beweist, daß ich trotz vierzigjähriger Uebung
kein Höfling geworden war und die Politik mich mehr in An-
spruch nahm als die Frage meiner Stellung, an welche mich nicht
Herrschsucht und Ehrgeiz, sondern nur mein Pflichtgefühl fesselte.
Im Laufe des Januars 1890 kam es zu meiner Kenntniß,
wie lebhaft der Kaiser sein Interesse der sogenannten Arbeiter-
schutzgesetzgebung zugewandt und daß er sich darüber mit dem
Könige von Sachsen und dem Großherzoge von Baden be-
nommen hatte, die zur Beisetzung der Kaiserin Augusta nach
Berlin gekommen waren. In Sachsen waren die Bestimmungen,
welche unter der genannten Rubrik den Reichstag und den
Bundesrath beschäftigt hatten, das heißt gesetzliche Beschränkung
der Frauen-, Kinder= und Sonntagsarbeit, zum Theil bereits
vor längerer Zeit eingeführt und von verschiednen Industrien
unbequem empfunden worden. Die sächsische Regirung wollte
der zahlreichen Arbeiterbevölkerung gegenüber nicht ihre eigenen
Anordnungen selbst reformiren; die betheiligten Industriellen
drückten auf sie mit dem Wunsche, daß im Wege der Reichs-
gesetzgebung eine Revision der sächsischen Einrichtungen herbei-
geführt oder die Unbequemlichkeit derselben für das ganze Reich,
also für alle deutschen Concurrenten verallgemeinert werden
möge, und der König hatte ihnen in soweit nachgegeben, daß
die sächsischen Vertreter im Bundesrathe im Sinne des so-
genannten Arbeiterschutzgesetzes thätig wurden, für welches nach