Die sogenannte Arbeiterschutzgesetzgebung. 51
und nach alle Parteien im Reichstage, um Stimmen der Wähler
zu gewinnen oder doch nicht zu verlieren, sich in Resolutionen
ausgesprochen hatten. Für die bundesräthliche Bürokratie lag
in den wiederholten Resolutionen des Reichstags ein Druck, dem
sie bei ihrem Mangel an Fühlung mit dem praktischen Leben
nicht widerstand. Die Mitglieder der betreffenden Ausschüsse
glaubten ihren Ruf als Menschenfreunde zu schädigen, wenn sie
nicht in die von England ausgehenden humanitären Phrasen
einstimmten. Auch das gewichtige bairische Votum war nicht
von Vorgesetzten instruirt, welche die Verantwortlichkeit für den
Schein antihumaner Bestrebungen zu übernehmen geneigt
waren. Ich veranlaßte, daß die Resolutionen des Reichstags
im Bundesrathe unbeachtet blieben. Es war unter diesen Um-
ständen für Herrn von Boetticher eine leichte und dankbare
Aufgabe, im Verkehr mit seinen bundesräthlichen Collegen
meine Ansicht zu kritisiren anstatt sie zu vertreten. Meine lange
Abwesenheit von Berlin brachte ihn in die Lage, dasselbe dem
Kaiser gegenüber zu thun und, wenn er ihm in meiner Ver-
tretung Vortrag zu halten hatte, meinen Eigensinn als das
Hinderniß auf dem Wege des Kaisers zur Popularität zu be-
zeichnen.
Es widerstrebte meiner Ueberzeugung und Ersahrung, in
die Unabhängigkeit des Arbeiters, in sein Erwerbsleben und in
seine Rechte als Familienhaupt so tief einzugreifen wie durch
ein gesetzliches Verbot, seine und der Seinigen Arbeitskräfte
nach eignem Ermessen zu verwerthen. Ich glaube nicht, daß
der Arbeiter an sich dankbar dafür ist, daß man ihm verbietet,
Geld zu verdienen an Tagen und in Stunden, wo er dazu ge-
neigt ist, wenn auch ohne Zweifel von den Führern der Socia-
listen diese Frage zu einer erfolgreichen Agitation benutzt wird,
mit der Vorspiegelung, daß die Unternehmer auch für die ver-
kürzte Arbeitszeit den unverkürzten Lohn zu zahlen im Stande
seien. Mit dem Verbote der Sonntagsarbeit habe ich bei per-