58 Fünftes Kapitel: Der Kronrath vom 24. Junuar.
Pflicht, auf Grund meiner Sachkenntniß und Erfahrung davon
abzurathen. Bei meinem Eintritt 1862 sei die Königliche Ge-
walt in einer schwachen Stellung gewesen; die Abdication des
Königs, mit der Undurchführbarkeit seiner Ueberzeugung mo-
tivirt, habe vorgelegen; seitdem sei 28 Jahre lang die Königliche
Gewalt in Macht und Ansehn ununterbrochen gestiegen; der
von Boetticher angeregte freiwillige Rückzug im Kampfe gegen
die Socialdemokratie werde der erste Schritt bergab auf dem
bisher aufsteigenden Wege sein, in der Richtung auf eine vor-
läufig bequeme, aber gefährliche Parlamentsherrschaft. „Wenn
Se. Majestät meinem Rathe keine Bedeutung beilege, so wisse
ich nicht, ob ich dann noch an meinem Platze sei.“ Auf diese
Erklärung sagte der Kaiser, von mir ab und gegen Beetticher
gewandt: „Dadurch werde ich in eine Zwangslage versetzt.“
Ich selbst habe diese Worte nicht verstanden, sie sind mir aber
von meinen links vom Kaiser sitzenden Collegen später mitgetheilt
worden.
Schon wegen der Stellung, welche der Kaiser im Mai 1889
zu den Streiks der Bergleute nahm, hatte ich befürchtet, daß
ich auf diesem Gebiete nicht würde mit ihm einig bleiben können.
Zwei Tage bevor er am 14. Mai 1889 die Deputirten der
streikenden Bergleute empfing, war er unangemeldet in der
Sitzung des Staatsministeriums erschienen und hatte erklärt,
daß er meine Ansichten über die Behandlung des Streiks nicht
theile. „Die Unternehmer und Actionäre müßten nachgeben,
die Arbeiter seien seine Unterthanen, für die er zu sorgen habe;
wollten die industriellen Millionäre ihm nicht zu Willen sein,
so würde er seine Truppen zurückziehen; wenn dann die Villen
der reichen Besitzer und Directoren in Brand gesteckt, ihre
Gärten zertreten würden, so würden sie schon klein werden.“
Meinen Einwand, daß die Besitzenden doch auch Unterthanen
seien, die auf den Schutz des Landesherrn Anspruch hätten,
überhörte Se. Majestät und sagte in Erregung, wenn keine